Der "Hühnerflüsterer" vom BodenseeGnadenhof für Legehennen: Nic Dilger (17) rettet Hühner vor dem Schlachterbeil
Nic Dilger beherbergt 120 Hühner, davon 55 ehemalige Legehennen, die ihre Rente in seiner Obhut genießen. Viele von ihnen hat der 17-Jährige aus schlechter Haltung gerettet. Sie kamen ohne Federn, mit blutigen Wunden und verletzten Füßen. Täglich radelt Nic acht Kilometer zu seinem kleinen Gnadenhof, kümmert sich dort zwei bis drei Stunden um die Tiere, die der Verein „Rettet das Huhn“ von kooperierenden Landwirten an den Jugendlichen vermittelt hat.
Familie verbrachte Urlaub getrennt - den Hühnern zuliebe
Auch am Wochenende verbringt der Schüler aus Tettnang (Baden-Württemberg) viele Stunden auf dem Hof, erledigt die Dinge, die er unter der Woche nicht geschafft hat. Erst kürzlich hat er den Stall winterfest gemacht. Draußen dürfen die Hühner frei herumlaufen, in der Erde scharren, frische Luft atmen. Eine artgerechte Haltung, die die Tiere, die oft aus extremer Bodenhaltung oder sogar Legebatterien stammen, in ihrer Hühnerrente zum ersten Mal erleben – genau wie die liebevolle menschliche Zuwendung, die Nic ihnen zuteil werden lässt. Verletzte Hennen operierte er nach Absprache mit einem Veterinär selbst, bandagierte die Füße, an denen sich Abszesse gebildet hatten. „Nach drei bis vier Wochen war es dann tatsächlich wieder gut.“ Die Tiere gehören für ihn zur Familie. „Sie bedeuten mir schon echt viel.“
Sogar persönliche Bodyguards haben die Hühner in ihrem Altersdomizil am Bodensee. Nachdem der Fuchs zugeschlagen hatte, schaffte Nic drei Ziegen an, die die Tiere vor Fressfeinden schützen. „Das funktioniert erstaunlich gut“, freut sich der 17-Jährige. Ein klassisches Hobby ist so ein Gnadenhof für einen Teenager nicht. Wie also kam der „Hühnerflüsterer“, wie der Junge im Ort liebevoll genannt wird, zu seiner Leidenschaft? „Von meiner Patentante der Mann hat einen Taubenzuchtverein gehabt und auch Hühner. Und der hat mir dann irgendwann einen Hahn und zwei Hennen geschenkt.“
So habe alles angefangen. Schnell sei auch klar gewesen, dass Nic die Hühner nicht nur halten, sondern auch retten möchte. Tauben, Enten, Ziegen und sogar ein Esel besitzt er, doch vor allem die Hühner haben es ihm angetan. „Die sind ruhig, denen kann man stundenlang zugucken.“ Auch die Tiere scheinen Nic zu mögen, sind sehr zutraulich, lassen sich von dem Schüler auf den Arm nehmen und streicheln. Den Urlaub hat seine Familie in diesem Jahr getrennt verbracht, damit immer ein Elternteil dableiben und sich mit um den Hof kümmern konnte.
Bei Nic dürfen die Legehennen alt werden
Nics Hobby ist nicht gerade billig: Allein 300 Euro gehen im Monat für Futter drauf. Doch zum Glück finanzieren sich die gefiederten Tiere selbst: Zuhause verkauft der 17-Jährige Eier und kann den Gnadenhof so am Laufen halten. 10 Eier kosten frisch aus Nics Kühlschrank 4,30 Euro, das Sechserpack ist für 2,60 zu haben. Ein stolzer Preis, doch die Leute greifen gerne etwas tiefer in die Tasche: Der Kühlschrank ist jeden Abend restlos leer. Offenbar wissen es die Kunden zu schätzen, dass die Hühner bei Nic alt werden dürfen und nur noch alle zwei Tage ein Ei legen – dafür dann aber in bester Bio-Qualität.
Nic Dilger hofft, dass die Menschen zunehmend Eier aus regionaler artgerechter Haltung kaufen.„Ich verstehe nicht, warum die Tiere in der Massentierhaltung mit ihren 16 Monaten geschlachtet werden, obwohl sie noch Eier legen“, sagt er. Tatsächlich ist es so, dass die Legeleistung nach etwa eineinhalb Jahren nachlässt und die Hühner nicht mehr ein Ei pro Tag legen. In der Regel werden sie dann geschlachtet und landen im Suppentopf.
Nic Dilger will einmal Landwirt werden
Nach getaner Arbeit geht es nach Hause, Lernstoff aufholen. Denn später einmal will der Teenager sein Hobby zum Beruf machen: Er besucht die Berufsschule und ist in drei Jahren ausgebildeter Landwirt. Vielleicht sogar einmal auf dem eigenen Hof. „Mein großer Traum ist ein Hühner-Mobil“, sagt Nic. Doch so ein praktischer Stall auf Rädern würde mindestens 25.000 Euro kosten.
Seine Mutter Andrea und die ganze Familie packen mit an. Alle verbringen viel Zeit auf dem Hof. „Im Normalfall bin ich meistens mit dabei, oft gehen unsere Tage bis abends halb zehn“, erzählt Andrea. „Dass er das macht finde ich superklasse. Eigentlich kann man sich so ein Kind nur erträumen.“