Flüchtlingsrat Niedersachsen ist entsetzt

Kinder mit psychisch krankem Vater abgeschoben? Schwangere Mutter bleibt in Deutschland

ARCHIV - Ein Protest-Transparent hängt am 18.10.2013 in Hamburg bei einer Pressekonferenz der Flüchtlingsgruppe «Lampedusa in Hamburg» in einem Fenster. Schleswig-Holstein will sich bei der Abstimmung über die Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer am 10.03.2017 im Bundesrat enthalten. Foto: Christian Charisius/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eine Familie wurde offenbar bei der Abschiebung nach Georgien getrennt - trotz schwieriger familiärer Verhältnisse.
bra, dpa, Christian Charisius

In einer Pressemitteilung hat der Flüchtlingsrat Niedersachsen mitgeteilt, dass der Landkreis Celle eine Familie bei einer Abschiebung getrennt habe. Drei Kinder wären mit ihrem offenbar psychisch instabilen Vater nach Georgien abgeschoben worden. Die im siebten Monat schwangere Mutter könne aufgrund einer Risikoschwangerschaft in Deutschland bleiben. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert das Vorgehen. Ein Attest zur Erkrankung des Vaters liege ebenfalls vor. Auch das Innenministerium habe nicht gehandelt.

Vorwürfe über Vorgehen

Mitten in der Nacht wäre ein Mitarbeiter in Begleitung der Polizei in die bisherige Wohnung der Familie eingedrungen, die schwangere Frau wäre daraufhin sehr aufgeregt gewesen. Um ihr ungeborenes Kind zu schützen, habe der Landkreis ihr dann eine „freiwillige“ Ausreise in Aussicht gestellt und darauf verzichtet, sie direkt abzuschieben. Eine Risikoschwangerschaft sei zudem attestiert, schreibt der Flüchtlingsrat Niedersachsen. Muzaffer Öztürkyilmaz, Sprecher des Flüchtlingsrats, erklärt am Telefon, dass ein solches Vorgehen normal wäre - egal, ob es sich dabei um den ersten oder einen späteren Abschiebeversuch handelt. Eine gesonderte, psychologische Betreuung oder eine Begleitung durch das Jugendamt sei dabei nicht vorgesehen, obwohl die Situation oft eine enorme, psychische Belastung für die Kinder wäre. „Kinder werden in Abschiebeprozessen nicht gesondert behandelt. Uns sind Fälle bekannt, da wurden Kinder sogar in Handschellen gelegt.“ Ein Gesuch beim Innenministerium mit Hinweis auf den Zustand der Mutter blieb erfolglos.

Wie ist der Zustand des Vaters?

Laut des Flüchtlingsrates Niedersachsen sei der Vater mit den vier Kindern im Alter zwischen drei und zehn Jahren abgeschoben worden, obwohl er bereits drei Suizidversuche hinter sich habe. Über die psychische Erkrankung liege ein Attest vor. Wie er sich in Georgien so um die Kinder kümmern soll, sei fraglich. Zusammen mit einem Anwalt klagt der Flüchtlingsrat Niedersachsen über das „unmenschliche“ Verhalten der Behörden.

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Verhalten sei "scheinheilig" - Mutter unter Druck

Auf der Internetseite der Ausländerstelle des Landkreises Celle steht: „...Eine Abschiebung muss z.B. dann erfolgen, wenn jemand ausgewiesen wurde und dann die Möglichkeit, freiwillig auszureisen, nicht genutzt hat.“ Muzaffer Öztürkyilmaz schreibt: „Das Verhalten der Verantwortlichen ist entsetzlich scheinheilig. Erst ignoriert die Ausländerbehörde, dass die Familie aufgrund der Risikoschwangerschaft von Frau M. nicht abgeschoben werden darf, und versucht es dennoch. Als ihr das Ganze zu gefährlich wird, deklariert sie die Aussetzung der Abschiebung zu einem fürsorglichen Akt und bieten Frau M. eine „freiwillige Ausreise“ an. (...)“ In unserem Telefonat bestätigt man, dass die Mutter ab sechs Wochen vor Niederkunft nicht ausgewiesen werden darf. Aktuell überlege sie, ihrer Familie hinterher zu reisen. Das würde das Land dann als „Freiwillige Ausreise“ deklarieren. Der Landkreis Celle wurde von der Redaktion um eine Stellungnahme gebeten. Darin heißt es „Die Reisefähigkeit wurde sowohl vor Einleitung als auch im Verlauf der Maßnahme überprüft. Die medizinische Versorgung war zudem zu jeder Zeit sichergestellt. Das galt auch für die Mutter, die sich aber zum wiederholten Male geweigert hat, mit ihren vier Kindern auszureisen. Aufgrund der Schwangerschaft wurde im Verlauf auf die zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme verzichtet.“ Ein Härtefallantrag war im Oktober 2020 abgelehnt worden.

Zahl der Geflüchteten steigt

Die betroffene Familie stammt aus Osteuropa. Die Zahl der Geflüchteten steigt insgesamt in Norddeutschland. Laut einer Mitteilung der Deutschen Presseagentur hat alleine die Zahl der von Hamburg aufgenommenen Flüchtlinge im vergangenen Jahr um mehr als 40 Prozent zugenommen. Dabei kamen die meisten Menschen aus Afghanistan, seitdem es dort einen Rückzug der westlichen Streitkräfte im Jahr 2021 gegeben hat. (lsi)