"Sozialtourismus"-Vorwurf gegen Ukraine-FlüchtlingeIst Merz auf russische Propaganda reingefallen?
Für seinen Ausdruck "Sozialtourismus" und den Vorwurf dahinter gegen ukrainische Flüchtlinge hat CDU-Chef Friedrich Merz ordentlich Kritik einstecken müssen. Mittlerweile hat Merz seine Aussage zwar wieder zurückgezogen, doch jetzt stellt sich die Frage, ob er vor dieser Aussage auf russische Propaganda reingefallen ist. Darauf deutet zumindest der Tweet eines Parteifreundes hin.
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CDU-Parteifreund heizt Gerüchteküche an
Am Dienstagabend bedauert Merz seine Äußerung und entschuldigt sich indirekt: „Ich habe dieses Wort Sozialtourismus verwendet, nicht in der Absicht, irgendjemandem da zu nahe zu treten oder auch persönlich etwas vorzuwerfen.“ Doch trotz Entschuldigung gibt es anhaltende Kritik und offene Fragen zum Ursprung von Merz’ Aussage.
CDU-Parteikollege Johannes Steiniger heizt auf Twitter jetzt die Gerüchteküche an: „Vor ein paar Wochen habe ich bei Behörden im Wahlkreis nachgefragt, ob es Anzeichen für Sozialleistungsmissbrauch gebe, da entsprechende Postings/Sprachnachrichten über WhatsApp kursierten. Klare Aussage bei uns vor Ort: dafür gibt es keinerlei Anzeichen.“
Damit spielt Steiniger vor allem auf eine Diskussion im Netz an: Eine Sprachnachricht soll dort angeblich belegen, dass Ukrainerinnen und Ukrainer mit dem Transportunternehmen „Flixbus“ zwischen der Ukraine und Deutschland hin und her pendeln, um sich so das Sozialsystem Deutschlands zu nutze zu machen. Also beispielsweise Sozialhilfe abgreifen.
"Flixbus"-Nachricht russischen Ursprungs?
Doch Steiniger hat eine Vermutung, wer hinter der Sprachnachricht stecken könnte: „Im Übrigen gehe ich davon aus, dass besagte Flixbus-Nachricht, auf die auch immer wieder über #TikTok Bezug genommen wird, russischen Ursprungs ist.“
Ob Russland hier wirklich seine Finger im Spiel hat und Postings in den sozialen Medien verbreitet, die ukrainische Geflüchtete in einem schlechten Licht dastehen lassen, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt jedenfalls nicht klar belegen.
Für RTL-Reporterin Katharina Kuhnert gibt es für Merz’ Aussagen nur zwei Erklärungen: „Also entweder hat Friedrich Merz da ganz bewusst diese Stimmung aufgegriffen […] oder er hat die Fakten tatsächlich wirklich nicht gecheckt.“
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Auch Kritik aus CDU-Reihen: "übliche Methode der Rechtspopulisten"
Gegenwind für seine Aussage „Sozialtourismus“ und seinen Umgang mit dem Thema bekommt der CDU-Parteichef jetzt sogar aus den eigenen Reihen. „Merz hat die übliche Methode der Rechtspopulisten angewandt: Erst Grenzen überschreiten, dann zurückrudern“, sagte Christian Bäumler, Vize-Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels (CDA), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Damit steht er sich selbst beim Weg ins Kanzleramt im Weg und schadet damit der Union.“
Merz' Äußerung zeuge von fehlender sozialer Kompetenz, findet der baden-württembergische CDU-Politiker Bäumler. „90 Prozent der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen, Kinder und Jugendliche. Wer diese Menschen als Sozialtouristen diffamiert, beschädigt das Wertefundament der Union.“
(khe/dpa)
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