Erstaunliches Urteil
Verfassungsgericht kippt pauschales Verbot von Kinderehen

Das im Jahr 2017 neu gestaltete Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen soll Minderjährige schützen und sie möglicherweise aus Zwangsehen befreien. Doch nun sagt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, es verstoße gegen das Grundgesetz.
Regelung bisher: Im Ausland geschlossene Ehe automatisch unwirksam
Dem Gesetzgeber sei es zwar nicht von vornherein verwehrt, ohne Prüfung des Einzelfalls die Nichtigkeit solcher Ehen anzuordnen, teilte das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe mit. Allerdings vermissen die Richterinnen und Richter derzeit die Möglichkeit, die Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht als wirksame Ehe führen zu können. Die Vorschrift muss bis Mitte 2024 überarbeitet werden.
Große Koalition hatte Handlungsbedarf gesehen: „Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet“
Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte Handlungsbedarf gesehen, weil vor dem Hintergrund gestiegener Flüchtlingszahlen auch vermehrt minderjährige Verheiratete nach Deutschland gekommen waren. „Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet“, hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) damals gesagt.
Nach der seither geltenden Rechtslage muss man volljährig sein, um heiraten zu können. War ein Partner erst zwischen 16 und 18 Jahre alt, soll die Ehe durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden. War einer von beiden noch unter 16, ist die Ehe automatisch unwirksam. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Ehen nach ausländischem Recht wirksam geschlossen wurden.
In Karlsruhe ging es nur um die letzte Gruppe, also die Unter-16-Jährigen. Der BGH hätte die neue Vorschrift im Fall eines syrischen Paares anwenden müssen, hielt sie aber für verfassungsrechtlich problematisch, weil die Wirksamkeit der Ehe generell und ohne Rücksicht auf konkrete Umstände versagt werde. In einer solchen Situation sind Gerichte verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Verfassungsgerichts einzuholen.
In dem Fall ging es um ein Mädchen, das 2015 in Syrien mit 14 Jahren vor einem Scharia-Gericht einen sieben Jahre älteren Mann geheiratet hatte. Wenig später flüchteten beide nach Deutschland. Hier wurde die Jugendliche von ihrem Mann getrennt und in einer Einrichtung für weibliche minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Zum Vormund wurde das städtische Jugendamt bestellt. Dieses wollte vor Gericht durchsetzen, dass die Jugendliche ihren - einstigen - Ehemann nur noch einmal die Woche für drei Stunden unter Aufsicht treffen darf. (dpa/eku)
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