Systematische Ausbeutung? Anwalt: "Wirklich unfassbar" "Team Wallraff": Entlarvt Burger Kings eigenes Dienstplan-System 75.000 Rechtsverstöße?

Ein doppelter 450-Euro-Job unter falschem Namen, 70 statt 40 Stunden Arbeit pro Woche, Dienstpläne, die erst wenige Stunden vor Arbeitsbeginn feststehen: Was Informantinnen und Informanten berichten, die bei Burger King angestellt waren, klingt ungeheuerlich. Der Blick in ein internes Personalmanagement-Tool des Fast-Food-Riesen sprengt jedoch alle Vorstellungen: Offenbar hat das eigene System über 75.000 Rechtsverletzungen dokumentiert – innerhalb von sieben Monaten in ca. 120 Filialen der Burger King Deutschland GmbH.

Internes System warnt vor Rechtsverstößen

Thomas Lang* hat viele Jahre in einer führenden Position bei Burger King gearbeitet. Nie unter 200 Stunden im Monat, teilweise über 300, wie er „Team Wallraff“ erklärt. Die Geschäftsführung habe – so behauptet zumindest er – dank des internen Dienstplan-Systems, das diverse Filialen nutzen, von den vielen Überstunden, teilweise ohne angemessene Pause, gewusst. „Team Wallraff“-Reporter Alex schaut sich dieses System gemeinsam mit dem Informanten an – und tatsächlich: An diversen Tagen stehen bei Thomas Lang Arbeitszeiten von bis zu 16 Stunden. Daneben warnt ein Paragrafenzeichen vor Rechtsverstößen.

Dazu Burger King Deutschland:

„[…] selbstverständlich achten wir auf die geltenden Arbeitszeitgesetze und halten unsere Mitarbeitenden an, u. a. Pausen und Ruhezeiten einzuhalten.“

Die Software dokumentiere zwar minutengenau die Arbeits- und Pausenzeiten der Mitarbeitenden.

„Rückschlüsse auf Rechtsverletzungen sind aus den Software-Angaben jedoch nicht möglich, auch nicht aus einem angezeigtem ‘Arbeitszeitverstoß’. Die Software prüft nicht den tatsächlichen Sachverhalt, […], sondern speichert lediglich die von den Mitarbeitenden ‘gestempelte’ Zeit, […].“

Dabei könne es durchaus zu Fehlern kommen.

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Jugendschutz, Mindestlohn, Ruhezeiten: Software dokumentiert 75.000 Rechtsverstöße

Betrachtet man nur diese Stempelzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wäre das Ausmaß erschreckend: Innerhalb von sieben Monaten hat die Software auf 75.000 Rechtsverstöße hingewiesen, unter anderem gegen Jugendschutz, Mindestlohn oder Ruhezeiten.

„Das ist wirklich unfassbar“, so Dr. Sven Jürgens, Anwalt für Arbeitsrecht, im Interview mit Günter Wallraff. „Es ist die komplette Palette des Arbeitsrechts, gegen die da verstoßen wird. Das kann mal passieren, dass man gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften verstößt, dann nennt man das Fahrlässigkeit. Wenn ich das aber 75.000-mal mache und eine Software habe, die mich bei jedem einzelnen Fall mit einer roten Fahne darauf hinweist […], dann bin ich im Bereich des Vorsatzes.“ Damit würde ein solches Verhalten zu einer Straftat, so der Experte.

Burger King Deutschland schreibt hierzu, man nehme die Vorwürfe ernst und ließe sie durch ein unabhängiges Unternehmen systematisch prüfen.

„Zum jetzigen Stand können wir jedoch die von Ihnen erhobenen Vorwürfe zu ‘Rechtsverstößen’ nicht nachvollziehen und weisen diese entschieden zurück. […].“

Da die Software bspw. Daten nicht monatsübergreifend analysieren würde, ließen „allein die angezeigten Hinweise in der Software keine Rückschlüsse auf Verstöße zu“.

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Dienstpläne viel zu kurzfristig verschickt?

Ob mit oder ohne Software: Auch Monika S. berichtet von zweifelhaften Methoden, die während ihrer drei Monate bei Burger King angewendet wurden: Dienstpläne seien teils erst abends um zehn oder elf Uhr vor Beginn der Arbeitswoche in einer Chat-Gruppe geteilt worden. „Wo man wirklich warten musste: Geh ich morgen arbeiten, geh ich morgen nicht arbeiten?“, so die Ex-Mitarbeiterin.

Auch andere Kollegen, die „Team Wallraff“-Reporterin Julia bei ihren Recherchen in einer Krefelder Burger-King-Filiale undercover kennenlernt, erzählen von viel zu kurzfristig verschickten Dienstplänen, die teils sogar erst montags kommen würden.

Burger King bestreitet, dass die Dienstpläne im Fall von Monika S. erst so spät kamen, und schreibt:

„Die Dienstpläne sind frühzeitig - d. h. mindestens mit sieben Tagen Vorlauf – mit den Mitarbeitenden zu teilen. Dies entspricht den Regelungen im Tarifvertrag.“

Eine Mitarbeiterin – zwei 450-Euro-Jobs?

Und wie sah es mit den Regelungen von Monikas geringfügiger Beschäftigung aus? Denn eigentlich durfte sie mit dieser nur 450 Euro steuerfrei verdienen. Aber: „Die haben meine Notlage einfach erkannt, dass ich das Geld brauchte, und da hat man mir angeboten, dass ich noch mal einen zweiten 450-Euro-Job aufnehme“, so die Informantin. Sie habe den Namen einer anderen Person angegeben und statt dieser gearbeitet; die Bezahlung sei immer bar erfolgt.

Die betroffene Burger-King-Filiale SME Berlin GmbH & Co. KG schreibt hierzu:

„Die von Ihnen behauptete Praxis wird von uns weder betrieben, noch geduldet. Nach unserer gründlichen Überprüfung können wir ausschließen, dass Ihre Vorwürfe zutreffend sind […] Insbesondere können wir ausschließen, dass eine Person in unserem Unternehmen unter verschiedenen Identitäten arbeitet oder gearbeitet hat.“ (rka)

*Namen von der Redaktion geändert

Video-Playlist zu "Team Wallraff"

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