"Wir brauchen diese Impfung"Virologe Drosten: Besonders "brenzlig" wird es für Ungeimpfte ab 50
Die dritte Welle läuft Experten zufolge in Deutschland an - die erste mit Corona-Variante. Weite Teile der Bevölkerung haben noch keine Impfung. Gleichzeitig wird die Impfung mit AstraZeneca ausgesetzt. Für Virologe Christian Drosten keine guten Vorzeichen für einen Ausblick auf die kommende Zeit.
+++ Alle aktuellen Informationen zum Coronavirus finden Sie in unserem Live-Ticker auf RTL.de +++
Sollten daran denken, „dass wir diese Impfung brauchen“
Angesichts der beginnenden dritten Corona-Welle in Deutschland bedauert der Virologe Christian Drosten die Entwicklungen um AstraZeneca mit ausgesetzten Impfungen und knapperen Liefermengen. Im Moment solle man vor allem daran denken, „dass wir diese Impfung brauchen“, betonte der Charité-Wissenschaftler am Dienstag im Podcast „Coronavirus-Update“ (bei NDR-Info). Die epidemiologische Lage sei momentan nicht gut in Deutschland. Die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 nehme immer mehr Überhand, ihr Anteil betrage inzwischen drei Viertel.
"Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum"
"Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum", sagte der Virologe, auch mit Blick auf düstere Prognosen des Robert Koch-Instituts (RKI) von vor einigen Tagen zu einem befürchteten starken Anstieg der Neuinfektionszahlen. Die Situation werde sich dann im weiteren Verlauf "drastisch erschweren" wegen der Mutante, erwartet Drosten. Besonders "brenzlig" werde es für die weitestgehend noch ungeimpften Jahrgänge ab 50 Jahre. Diese Warnung hatte Drosten auch zuvor schon geäußert.
Es wird brenzlig für Ungeimpfte ab 50? Was bedeutet das?
Was er genau damit meint? In der Podcast-Folge von Dienstag erklärt Drosten die Gefahr für Jahrgänge ab 50 mit dem Altersprofil in Deutschland. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Lockerungen möglicherweise funktionieren, seien die älteren Jahrgänge in Deutschland „extrem überbetont“. Damit spreche Drosten aber nicht nur die Jahrgänge über 80, sondern eben auch die Jahrgänge über 70, 60 und eben auch 50. Die deutsche Bevölkerung würde praktisch ausgemacht durch die Boomer-Jahrgänge. „Gerade diese sehr bevölkerungsstarken Jahrgänge bei uns in Deutschland, die sind extrem überbetont und die sind natürlich bedroht. Auch in einem anderen Maße als das von einem saisonalen Grippevirus der Fall wäre.“
Gerade in Bezug auf die Mutante ergeben neue Studien, dass sich auch für Menschen über 55 Jahren das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zu einer Infektion mit der ursprünglichen Corona-Variante erhöhe, erklärte Drosten weiter. Für die 55- bis 69-jährigen Patienten erhöhe sich das Risiko 28 Tage nach PCR-Diagnose zu sterben demnach von 0,6 auf 0,9 Prozent.
Auch Intensivmediziner Uwe Janssens sagte im Deutschlandfunk, dass wegen der britischen Mutante vermehrt schwere Krankheitsverläufe bei den 50- bis 70-Jährigen drohten.
Da gesellschaftlich und politisch Richtung Öffnungen gearbeitet werde, könne es darum für die älteren Jahrgänge, die bisher ungeimpft sind, um und nach Ostern brenzlig werden, so Drosten. „Es ist klar, dass wir das so schnell bevölkerungsweit nicht kontrollieren können über die Impfung – selbst ohne die neuen Nachrichten jetzt [zum AstraZeneca-Stopp, Anmerk. d. Red.].“
In Deutschland hatte das für die Impfstoff-Sicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine Aussetzung der Impfungen mit AstraZeneca empfohlen. Nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium wurden in Deutschland bis Dienstagabend insgesamt acht Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet. Die Zahl der Fälle ist demnach statistisch signifikant höher als in der Bevölkerung ohne Impfung. Laut PEI waren die Betroffenen vor allem Frauen. Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombose besteht, wird derzeit untersucht.
Häufung von Sinusvenenthrombosen
Über die Häufung der seltenen Thrombosen innerhalb kurzer Zeit sagte Drosten, das müsse man "natürlich ernst nehmen und anschauen". Dazu gehöre unter anderem auch die Suche nach möglichen anderen Ursachen. Er wolle die Entscheidung nicht bewerten und habe auch keine Hintergrundinformationen, sagte Drosten.
Beruht AstraZeneca-Stopp auf statistischem Problem?
Der Virologe gab aber zu bedenken, dass es sich möglicherweise auch um ein statistisches Problem handeln könnte: In Deutschland seien Menschen unter 65 Jahre mit AstraZeneca geimpft worden, weil es zunächst keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission für Ältere gegeben hatte. In England hingegen seien bevorzugt Ältere damit geimpft worden; trotz einer höheren Zahl an Impfungen sei dort keine solche Thrombosen-Häufung beobachtet worden. Drosten verwies auf einen wohl hohen Frauenanteil beim medizinischen Personal und Pflegepersonal, das das Mittel in Deutschland erhielt. Er fragte: "Könnte es sein, dass das die Statistik färbt?" Bei Frauen seien Probleme mit Thrombosen generell häufiger.
AstraZeneca-Impfungen gestoppt: Was passiert bei einer Thrombose
Thrombose-Vergleich zwischen Pille und AstraZeneca - wie realistisch ist das?
Thrombose-Risiko: Kann ich mich trotz Antibabypille mit AstraZeneca impfen lassen?
AstraZeneca-Impfungen gestoppt: Was passiert bei einer Thrombose
Thrombose-Vergleich zwischen Pille und AstraZeneca - wie realistisch ist das?
Thrombose-Risiko: Kann ich mich trotz Antibabypille mit AstraZeneca impfen lassen?
Zu mehreren Studien über die in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 zog Drosten die Bilanz, dass das Virus nicht nur übertragbarer, sondern auch gefährlicher geworden sei. "Und das ist keine gute Botschaft, gerade in diesen Zeiten und in dieser jetzigen Nachrichtenlage". Die Studien lieferten weitere Hinweise, dass die Variante tödlicher ist.
Quelle: DPA/RTL.de