Überzogene Härte

Warum Audi mit der sofortigen Trennung von Daniel Abt zu weit ging

Audi und Daniel Abt gehen getrennte Wege. Der Autokonzern feuert seinen treuen Fahrer, weil er sich bei einem Computerspiel einen Spaß erlauben wollte und nicht selbst im Simulator saß. Eine äußerst harte Entscheidung, die eigentlich nur Verlierer hervorbringt - auf allen Seiten. Die Geschichte ist aber noch deutlich facettenreicher, als viele annehmen.

Formel E verliert wichtigsten Botschafter

Sicherlich ging es beim besagten E-Sport-Event der Formel E auf Seiten Daniel Abts nicht mit rechten Dingen zu. Der Rennfahrer hatte anstatt selbst anzutreten einen erfahrenen Gamer unter seinem Namen für ihn antreten lassen, alle anderen echten Fahrer machten beim Rennen selbst mit. Das Statement des Deutschen auf seinem eigenen YouTube-Kanal am Dienstagabend zeigt, dass die ursprünglich als Spaß gemeinte Idee auf jeden Fall besser umgesetzt hätte werden müssen. Doch das alleine ist kein Grund, um einen Piloten, der sich so verdient gemacht hat, direkt zu entlassen.

Knapp sechs Jahre elektrisierte der 27-Jährige mit Audi die Formel E, war seither bei allen Rennen dabei. Gemeinsam feierten sie einen Konstrukteurstitel, fünf Podestplätze und zwei Siege. Der Triumph beim Heimrennen in Berlin 2018 war dabei der absolute Höhepunkt der Zusammenarbeit. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Abt das Gesicht der Elektroserie in Deutschland. Mit dem Rauswurf verliert die Formel E einen ihrer wichtigsten Botschafter in Europa.

"Audi" und "Betrug" - eine schwierige Geschichte

Der Rausschmiss des Deutschen sorgt vor allem unter Motorsportfans für Diskussionen. Viel zu hart, ist da online zu lesen - doch für andere ist klar: Abt hat seinen Job nicht richtig gemacht, die Kündigung sei in Ordnung.

Stellt sich die Frage: Haben Sie Lust auf einen Job, der Ihnen keinen einzigen Euro bringt? Abt und alle anderen Fahrer treten bei der "Race-at Home"-Challenge lediglich für den guten Zweck an, die "echte" Formel E ist in der Corona-Zwangspause.

Sicher, der Wohltätigkeit ist Abt mit seiner Schummelei etwas schuldig geblieben - hat aber als gerechte Strafe 10.000 Euro gespendet. Alle Strafen darüber hinaus wirken doch drakonisch.

Die Hauptgründe für die Kündigung liegen womöglich in zwei ganz anderen Punkten begründet. Die Worte "Audi" und "Betrug" haben durch die Diesel-Affäre eine unschöne Verbindung. Infolge des Abgas-Skandals, in den auch die VW-Tochter verwickelt war, sind Worte wie "schummeln" Gift in den Augen der Bosse. Natürlich möchten die Ingolstädter in Zukunft nicht einen Schummler im Cockpit sitzen haben - auch wenn das, sobald der echte Rennbetrieb wieder läuft, wahrscheinlich keine Menschenseele mehr interessiert hätte. Abt ist Opfer der Konzernvergangenheit geworden.

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Abt-Skandal nur Vorwand für Kündigung

Doch es gibt auf Seiten des Herstellers mit den vier Ringen noch einen anderen Faktor, der bei der Entscheidung womöglich von Belang war: Nachdem Audi Ende des Jahres aus der DTM aussteigt, stehen aktuell insgesamt sechs Werksfahrer für 2021 ohne Cockpit da. Darunter auch der zweimalige DTM-Champion René Rast. Trotz guter Ergebnisse stand Abt stets im Schatten seines Teamkollegen Lucas Di Grassi - wahrscheinlich wollte Audi den Allgäuer sowieso ersetzen. Immer wieder kursierten Gerüchte darüber, ob René Rast nicht vielleicht in das Formel-E-Projekt der Bayern wechselt. Der Skandal um Abt kam Audi daher vielleicht gerade recht, um einen Vorwand für eine Trennung zu haben, die am Ende der Saison sowieso vollzogen worden wäre.

Sportlich war Daniel Abt ersetzbar, aber bis auf die ganz großen Fahrer-Kaliber à la Lewis Hamilton und Max Verstappen sind das nahezu alle Piloten. Menschlich wird er der Formel E vor allem in Deutschland unglaublich fehlen. Es bleibt nur zu hoffen, dass Abt sich von diesem Rückschlag erholt und wir ihn möglichst bald wieder in einem Rennauto sehen - wo auch immer das sein mag.