„Schwierig wird es dann, wenn nur einer immer anruft“
Einseitige Freundschaft? Wann es sich nicht lohnt, Freunden hinterherzulaufen

Euer WhatsApp-Verlauf zeigt, wenn Nachrichten kommen, dann eher von euch?
Ihr seid diejenigen, die öfter anrufen, häufiger Unternehmungsvorschläge machen und die Freundschaft intensiver pflegen? Woran es liegt, dass manche Freundschaften eine einseitige Dynamik entwickeln, und bei welchen Ursachen es sich nicht mehr lohnt, Freunden hinterherzulaufen, erklärt der Psychotherapeut und Freundschaftsforscher Dr. Wolfgang Krüger im RTL-Interview.
Freundschaftsforscher: „Es ist normal in Freundschaften, dass sich einer mehr meldet“
Wenn ihr euch nicht meldet, kommt von eurer Freundin, oder eurem Freund eine gefühlte Ewigkeit gar nichts?
Wenn sich dieses frustrierende Gefühl für einen längeren Zeitraum eingestellt hat, stehen Freunde vor der Frage: Soll ich das Thema ansprechen, oder muss ich das hinnehmen?
Schließlich kann man eine gute Freundschaft nicht einfordern. Im Idealfall entsteht sie von ganz allein und beide Seiten halten die platonische Beziehung am Laufen: Es ist ein Geben und Nehmen.
Doch wenn sich das ändert, solltet ihr der Ursache dafür auf den Grund gehen.
„Es ist normal in Freundschaften, dass sich einer mehr meldet. Auch zum Beispiel, dass einer mehr redet und mehr entscheidet. Es gibt einfach Unterschiede in Freundschaften. Es ist genauso normal, dass einer vielleicht zwei- bis dreimal anruft, aber der andere ruft dann auch mal an!“, erklärt Freundschaftsforscher Dr. Wolfgang Krüger.
„Schwierig wird es erst dann, wenn einer immer anrufen muss und wirklich immer derjenige ist, der Vorschläge macht. Also wenn die Freundschaft sehr einseitig wird, handelt es sich hier um ein Phänomen, was mehr in Richtung Alltagsfreundschaften geht. Bei Alltagsfreundschaften wird das toleriert, doch bei Herzensfreundschaften wird man das nicht lange hinnehmen.“
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Eure Erfahrung interessiert uns! Habt ihr den Eindruck, manchen Freunden hinterherzulaufen?
Beziehungsexperte: „Innerhalb von sieben Jahren scheitern 50 Prozent unserer Alltagsfreundschaften“
„Bei den Alltagsfreundschaften ist die Bindung aneinander geringer, wir erzählen dem anderen nicht alles, sind uns nicht so vertraut. Bei ihnen müssen wir leider davon ausgehen, dass wir für sie wie riesige Durchfahrtsbahnhöfe sind – und es in vielen Fragen unterschiedliche Vorstellungen gibt.“
Die Alltagsfreundschaften unterliegen daher einem ständigen Prozess von Veränderungen. „Innerhalb von sieben Jahren scheitern 50 Prozent unserer Alltagsfreundschaften“, weiß der Experte.
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Ganz anders sieht das bei den sogenannten Herzensfreundschaften aus, von denen wir im Leben laut Krüger aber auch nur höchstens drei haben. „Hier stimmen die Dinge: Man hat einen ähnlichen Humor, ähnliche Werte und unsere Vorstellungen von Nähe und Abstand stimmen überein. Bei diesen drei Herzensfreundschaften stimmt insgesamt die Vorstellung davon, wann man sich meldet und nicht meldet, überein.“
Doch was können wir tun, wenn selbst eine Herzensfreundschaft auf Abwege gerät?

Mehr Nähe in Freundschaft gewünscht? Wann es sich nicht lohnt, das Thema anzusprechen
Wann müssen wir damit leben, von der besten Freundin oder dem Kumpel nur noch wenig zu hören?
Laut Dr. Krüger sei es oft so, dass die Auffassung davon, wann man sich meldet, einmal übereinstimmte und dann plötzlich nicht mehr.
„Menschen verändern sich. Zum Beispiel, weil eine oder einer von beiden jetzt eine schwere Erkrankung bekommt, oder eine seelische Krise erlebt hat. Man fängt an, sich zurückziehen und resignativ entmutigt zu sein. Das ist ein Normalfall in Freundschaften. Das können Sie ansprechen, in der Regel hilft das aber leider nicht.“
Und, wann kann es klappen, das Thema anzusprechen?
„Das Ansprechen hat nur Erfolg, wenn die Gründe dafür, dass der Betreffende sich nicht gemeldet hat, relativ einfach und an der Oberfläche liegen. Zum Beispiel: Wenn jemand sich nicht gemeldet hat, weil er es etwas vergessen hat und es zu sehr in den Hintergrund geraten ist. Häufig will das Gegenüber dann in Zukunft mehr darauf achten und es ist ihr, oder ihm, einfach‚ durch die Lappen‘ gegangen. Doch das ist der Sonderfall, bei dem das funktioniert.“
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Freunde auf Abstand: Vier Ursachen, bei denen es nicht lohnt, das Thema anzusprechen
„Wenn sie aber Gründe haben, die mehr in der gesamten Lebensgestaltung, oder im Charakter einer Person liegen, dann hilft es leider nicht, das Thema anzusprechen – das hat keinen Sinn.“
Dafür nennt Dr. Krüger vier konkrete Beispiele:
Rückzug wegen einer seelischen Krise und Krankheit
Die Freundin/der Freund hat einen neuen Freund
Die Freundin/der Freund hat jetzt Kinder und ist überfordert
Der eigene Charakter sehnt sich nach mehr Abstand
Es sei immer einen Versuch wert, die Veränderungen anzusprechen, aber leider sei die Aussicht auf Erfolg gering. Besser: „Suchen Sie sich neue Freunde, das müssen wir ein Leben lang tun, damit wir im Alter noch genügend viele Freunde haben.“