Bund für Umwelt und Naturschutz ist besorgt
Experten warnen vor „Schneewittchen-Äpfeln” – was steckt dahinter?

In die falsche Apfelseite gebissen – und Schneewittchen fiel (fast) tot um!
In Süddeutschland könnte das bekannte Märchen jetzt eine ganz neue Dimension annehmen, dort ist derzeit die Rede von sogenannten „Schneewittchen-Äpfeln”. Was dahintersteckt? Am Bodensee will das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Äpfel und Birnen mit noch mehr Pestiziden einsprühen. Dieses Fungizid soll laut BUND krebserregend sein, was verheerende Folgen haben könnte. Wir erklären, was ihr jetzt wissen solltet.
BLV will mehr Pestizide auf Äpfeln und Birnen in der Bodenseeregion – DAS ist der Grund
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht sich derzeit gegen „Schneewittchen-Äpfel” stark und warnt davor, dass der Verzehr gesundheitliche Schäden mit sich bringen könne. In einer Mitteilung aus dem August heißt es, dass in Zukunft besonders Früchte aus der Bodenseeregion betroffen sein könnten.
Der Grund: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) möchte in der Region den Grenzwert des Pestizids beziehungsweise Fungizids Folpet deutlich erhöhen – und zwar um ein 20-faches. Die Folge davon wäre jedoch, dass sich auch der Grenzwert für die Rückstände des Gifts in besagtem Obst erhöhen würde, was wiederum den Verzehr problematisch machen würde.
Mit dem Begriff „Schneewittchen-Äpfel” sind dabei jene Exemplare gemeint, die mit entsprechenden Pestiziden behandelt werden, um perfekt auszusehen, dafür aber eben gleichzeitig gesundheitliche Risiken bergen.
In der BUND-Meldung heißt es diesbezüglich: „Das Gift ist wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd.” Aber warum soll der Pestizid-Grenzwert überhaupt SO drastisch erhöht werden? Die Antwort: Damit am Ende der Hopfen-Export nicht gefährdet wird.
Was Hopfen und Äpfel miteinander zu tun haben? Am Ende lässt sich alles auf eine Verstrickung unglücklicher Umständen zurückführen.
Der BUND erklärt dazu: „Die nasse Witterung in der Bodenseeregion lässt die Gefahr für Schorf-Infektionen an Kernobst steigen. Das bisher eingesetzte Mittel Pestizid Captan landet durch Abdrift in der Umgebung und belastet auch Hopfen auf benachbarten Feldern. Der Export dieses Hopfens wäre jedoch gefährdet, weil die Abnehmerländer USA und Japan Captan-Rückstände nicht tolerieren. Per Notfallgenehmigung wurde deshalb für diese Obst-Anbausaison bereits ein Fungizid mit dem Wirkstoff Folpet erlaubt.”
Heißt: Im Gegensatz zu dem bisher eingesetzten Pestizid Captan würden sowohl die USA als auch Japan das hier vom BUND als krebserregend eingestufte Fungizid Folpet tolerieren.
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„Einsatz des Pestizids führt zu Rückständen im Obst, die den EU-weiten Grenzwert deutlich übersteigen”
Weiter heißt es: „Das BVL will deshalb den Grenzwert des hochgefährlichen Fungizids [Folpet] in Kernobst national vorübergehend von 0,3 mg/kg auf 6 mg/kg erhöhen. Ein entsprechender Entwurf liegt dazu vor. Solche Äpfel und Birnen können dann nur noch in Deutschland verkauft werden und dürfen nicht mehr in andere EU-Länder exportiert werden.” Denn „der Einsatz des Pestizids führt zu Rückständen im Obst, die den EU-weiten Grenzwert deutlich übersteigen.”
Corinna Hölzel, BUND-Pestizid-Expertin, erklärt weiter: „Um den Hopfenexport in die USA und nach Japan nicht zu gefährden, wird ein hochgefährliches Fungizid per Notfallgenehmigung zugelassen. Folpet ist hochgiftig für Fische und Wasserorganismen. Solche hochgefährlichen Stoffe müssten zügig komplett verboten werden, statt sie vermehrt einzusetzen und haben im heimischen Obst nichts zu suchen.“
Vor allem, weil Schorf auf Obst „hauptsächlich ein ästhetisches Problem” sei. Die Expertin fügt hinzu: „Es muss eine Toleranz von Ware mit Schönheitsfehlern geben. Das ist klüger, gesünder und nachhaltiger, als die Regale mit ‘Schneewittchen-Äpfeln’ zu füllen”.

Der BUND fordert zudem Bundesagrarminister Cem Özdemier (Grüne) auf, sich mehr für die Pestizidreduktion einzusetzen „und die Grenzwerterhöhung und Notfallzulassung von gefährlichen Pestiziden zu stoppen.” Gerade auf lange Sicht mache das aufgrund wetterbedingter Extremsituationen, zurückzuführen auf den Klimawandel, wenig Sinn. „Gefährliche Pestizide durch andere gefährliche Pestizide” zu ersetzen, könne nicht die Lösung sein.
Obstbauern sollen zudem mehr bei nicht-chemischen Alternativen unterstützt werden. (vdü)