Ex-Staatsanwalt soll Sohn vergewaltigt habenUrteil gegen Schlafwandler aufgehoben, folgt jetzt der Freispruch? Rechtsexperte ordnet ein

„Schlafwandel-Prozess” vor Neustart!
Ein ehemaliger Lübecker Staatsanwalt soll seinen eigenen Sohn schwer missbraucht haben – dabei ist er angeblich geschlafwandelt. Der Fall zieht sich über Jahre, bis im vergangenen Jahr das Urteil gegen den Vater fällt. Ein Urteil, dass der Bundesgerichtshof jetzt aufgehoben hat. Für RTL ordnet Anwalt Jan Siebenhüner ein, was das für den Fall bedeutet.

BGH bemängelt Rechtsfehler

Das Landgericht Lübeck hatte den Vater Anfang 2024 zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. „Trotz dessen, dass sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragt hat”, fasst Rechtsanwalt Jan Siebenhüner im Interview mit RTL zusammen. „Gegen dieses Urteil haben dann Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision eingelegt”, so der Anwalt weiter. Deshalb muss das Verfahren jetzt neu aufgerollt werden, so hat es das BGH entschieden.

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Der Neustart ist laut Siebenhüner auch deshalb gefordert, weil die Lübecker Strafkammer einen Rechtsfehler begangen habe: „Eine Zeugin, die von der Verteidigung als entlastende Zeugin benannt wurde, einfach, ja vom Gericht zur Seite geschoben wurde und man gesagt hat einfach, man glaube der nicht.“ Warum man der Frau nicht glaube, bleibt im Lübecker Urteil allerdings offen.

Bedeutet ein neuer Prozess einen Freispruch?

Das geht so nicht, entscheidet der Bundesgerichtshof deshalb im Januar 2025 in einem Beschluss, der dem Spiegel vorliegt. Der Fall zurück nach Lübeck gespielt, dort muss jetzt eine andere Strafkammer des Landgerichts ran, um den Fall neu verhandeln. Das bedeutet in erster Linie, dass das Verfahren fehlerhaft verlaufen – nicht aber, dass der Angeklagte unschuldig ist, sagt Jan Siebenhüner. Das müsse die neue Verhandlung zeigen. Dennoch ist die Entscheidung im Sinne des Angeklagten, der hat damit „praktisch eine zweite Chance“, erklärt der Experte.

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Da die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung beide Revision eingelegt haben, geht Siebenhüner nicht davon aus, dass ein neues Verfahren schlechter für den Angeklagten ausfallen werde. Ob das nun einen Freispruch für den ehemaligen Staatsanwalt bedeute, lasse sich noch nicht sagen. Das Gericht in Lüneburg muss in dem neuen Prozess überprüfen, ob die Entlastungszeugin glaubwürdig sei und wie es um eine mögliche seltene Schlafkrankheit bei dem Angeklagten stehe. „Wenn sich das allerdings so feststellen lässt, dann ist der Angeklagte zwingend freizusprechen.”

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Zäher Fall mit mehreren Verfahren

Der Ex-Staatsanwalt soll im März 2019 seinen damals achtjährigen Sohn schwer sexuell missbraucht haben. Der 52-jährige Vater gibt damals bei einem ersten Verfahren an, sich nicht an die Tat erinnern zu können. Die Ermittlungen der Kieler Staatsanwaltschaft ergaben daraufhin: Der Beschuldigte sei Schlafwandler. Während des Prozesses können zwei Gutachten jedoch nicht abschließend klären, ob der Angeklagte sich seiner Handlungen bewusst war. Sprich: Ob er zur Tatzeit wach war oder tatsächlich geschlafwandelt sei.

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Die Mutter des damals achtjährigen Sohns wendet sich in der nächsten Instanz an das Oberlandesgericht – und hat Erfolg. Durch ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren kommt der Fall erneut vor Gericht. Vor dem Landgericht Lübeck soll vor allem die Schuldfähigkeit des Angeklagten geklärt werden. Der ehemalige Jurist wurde Anfang 2024 zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. (okr)