Diskussion um Julia RuhsWar sie in ihrer Sendung zu „Klar”? NDR setzt Moderatorin ab

Riesen-Wirbel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland!
Mit der Sendung „Klar” will der NDR auch konservative Zuschauer ansprechen. Doch bereits nach der ersten Folge regt sich intern Widerstand: Viele Mitarbeiter distanzieren sich von der Produktion. Wenige Monate später setzt der Sender die Moderatorin Julia Ruhs (31) ab. Wie sie selbst auf die Entscheidung reagiert und was nun mit dem Format geplant ist.
Worum geht es in der Sendung „Klar”?
Nach Angaben von NDR und BR soll „Klar” Streitfragen aufgreifen, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, und verschiedene Perspektiven darauf zeigen. Die drei Pilotfolgen liefen im April, Juni und Juli in Kooperation von NDR und BR. Die Sendung wurde beim klassischen Fernsehen im NDR und auf Tagesschau24 ausgestrahlt, steht in der ARD-Mediathek und kann bei YouTube gestreamt werden. Für 2026 sind weitere Ausgaben geplant, die unregelmäßig veröffentlicht werden sollen.
Bei YouTube erreichte die erste Sendung über die Asylpolitik in Deutschland seit April mehr als 550.000 Aufrufe, dazu kamen über 130.000 Klicks in der ARD-Mediathek. Bei der zweiten Sendung über Probleme in der Landwirtschaft waren es seit Juni mehr als 250.000 Youtube-Abrufe und gut 30.000 Mediatheken-Klicks. Die dritte Sendung über die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise kam seit Ende Juli auf knapp 50.000 Youtube-Aufrufe und etwa 14.500 Mediatheken-Klicks. Das Echo unter Nutzern war groß. Allein unter dem Beitrag zum Thema Migration stehen bei Youtube mehr als 10.000 Kommentare.
Was gab es für Kritik an dem Format?
Die Sendung sorgte in der Vergangenheit mehrfach für Unmut. So äußerte sich etwa NDR-Journalistin Anja Reschke in ihrer eigenen Sendung öffentlich zu einzelnen Inhalten. Besonders die Auftaktsendung zur Migration sorgte für Aufsehen – Ruhs hatte dort unter anderem über Gewalt im Zusammenhang mit Einwanderung berichtet. In dem Zusammenhang sprach ZDF-Moderator Jan Böhmermann von „rechtspopulistischem Quatsch”, ohne sich auf eine konkrete Aussage zu beziehen.
Bereits Monate vor der Trennung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) von der Journalistin Julia Ruhs sollen sich fast 250 Mitarbeiter mit einem an Geschäftsführung, Programmdirektion und Chefredakteure gerichteten Schreiben von dem Format „Klar” und insbesondere der Auftaktsendung distanziert haben. Darin heißt es nach Angaben mehrerer Mitarbeiter des NDR, dass die Auftaktsendung zu Migration einer „Reihe von Grundsätzen unserer journalistischen Arbeit” und dem „öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag” nicht nachkomme. „Wir distanzieren uns von dieser Produktion und wünschen uns eine Aufarbeitung der Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass dieser Film so über den Sender gegangen ist.” Zuvor hatte die Zeitung Welt über den Brief berichtet.
Gleichzeitig hat „Klar” nach Angaben von NDR und BR hohe Akzeptanzwerte. In einer repräsentativen Online-Studie im Auftrag des NDR hätten 63 Prozent der Befragten der Sendung die Schulnoten 1 oder 2 gegeben. Das Format bediene den Wunsch nach Meinungsvielfalt sowie klarer Haltung.
Wer ist Julia Ruhs?
Die 1994 geborene Journalistin beim Bayerischen Rundfunk hat auch eine Kolumne bei Focus Online. Sie wird oft als neue konservative Stimme beschrieben. Kürzlich veröffentlichte Ruhs ein Buch mit dem Titel „Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes”.
Auf die Entscheidung des NDR reagierte sie mit deutlicher Kritik. „Mein ,Klar’-Team und ich persönlich haben unglaublich viel Zuspruch für unser Format bekommen, von Menschen, die eigentlich schon das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die dortige Meinungsvielfalt verloren haben”, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben also das geschafft, wovon die Sender immer träumen – eine verlorene Zielgruppe zurückzugewinnen.”
Wie reagiert die Politik?
Rückendeckung bekam Ruhs aus Teilen der Politik. Unionsfraktionschef Jens Spahn etwa kritisierte die Entscheidung des NDR als „sehr problematisch”. Auf der Plattform X schrieb er, dass Meinungsvielfalt eines der Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem „extrem schlechten Signal”. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) schrieb auf der Plattform X: „Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich-rechtlichen NDR.” Konservative Stimmen gehörten zum demokratischen Meinungsspektrum, „auch wenn das einigen Linken nicht gefällt”.
Medienstaatsminister Wolfram Weimer warnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor einem Akzeptanzverlust. „Wir haben in weiten Teilen der Bevölkerung den Eindruck, dass die öffentlich-rechtlichen Sender politisch einseitig berichten”, sagte er dem Fernsehsender Welt auf eine Frage zu Ruhs. „Und das ist ein Problem, weil die Öffentlich-Rechtlichen von großer Akzeptanz leben.”
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte die Absetzung der Moderatorin im Gespräch mit dem Spiegel. „Es ist halt wirklich hochproblematisch, wenn auf Druck von irgendeiner Seite etwas abgesetzt wird”, sagte sie.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sprach sich auf die Frage, wie er zur Causa Ruhs stehe, für Vielfalt im deutschen Fernsehen aus. „Ich finde, wir müssen aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, dass es kontroverse Meinungen gibt. Und das muss sich alles auch in den Medien, die wir konsumieren, widerspiegeln, und da bin ich immer dafür, dass man auch Dinge aushält, die man vielleicht nicht politisch teilt, aber das macht unsere Demokratie reicher”, sagte der SPD-Politiker.
Wie geht es mit dem Format weiter?
Wer die Ausgaben des NDR künftig präsentieren soll, steht noch nicht fest. Ruhs bleibt dagegen Teil des Moderationsteams für die Folgen, die der Bayerische Rundfunk (BR) produziert. Das teilten NDR und BR gemeinsam mit.
Der NDR nannte zunächst keine Begründung für seine Entscheidung. Auf Anfrage hieß es am Donnerstag lediglich: „Dem NDR ist Perspektivenvielfalt im Programm wichtig. Deswegen hat der Sender das Format ,Klar’ entwickelt und gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk ins Leben gerufen”. NDR und BR wollen demnach das Format im kommenden Jahr fortführen und mit höherer Folgenzahl ausbauen - mit mehreren Moderatoren und damit mehreren Perspektiven. (rsa)
Verwendete Quelle: dpa