Tödliche Polizeischüsse in Oldenburg„Das ist ein Skandal!” Bodycams waren ausgeschaltet, als der Polizist auf Lorenz (21) schoss

Keine einzige Kamera lief.
Was in der Nacht zu Ostersonntag (20. April) in Oldenburg passiert, lässt viele fassungslos zurück. Lorenz stirbt nach einem Polizeieinsatz – doch es gibt keine Aufnahmen davon, keine Beweise. Denn die Bodycams der Beamten waren aus, als die Kugeln den 21-Jährigen von hinten trafen.
Bodycams waren nicht eingeschaltet
In der Nacht zum Ostersonntag stirbt Lorenz in der Oldenburger Innenstadt durch Polizeikugeln. Fünf Schüsse feuert ein Beamter ab – drei davon treffen den 21-Jährigen in Rücken, Hüfte und Kopf. Er stirbt wenig später im Krankenhaus. Unfassbar: Die Bodycams der beteiligten Polizisten waren nicht eingeschaltet.
Lese-Tipp: Lorenz (21) von Polizei erschossen! Das wissen wir über das Opfer
Ein Schock und Unverständnis bei vielen – auch für Polizei-Experten Rafael Behr: „Auch da erfahren wir wieder zu meinem großen Bedauern, dass die Bodycam zwar getragen, aber nicht eingeschaltet wurde. Und das ist ein Skandal“, sagt der Professor für Polizeiwissenschaften im Gespräch mit RTL.

Schutz für Beamte – aber was ist mit der Wahrheit?
Bodycams sollen deeskalieren und Beweise liefern. Doch in Deutschland entscheiden Polizistinnen und Polizisten selbst, wann sie die Kameras aktivieren – oder eben nicht. „Das ist das Skandalöse”, meint Behr. „Es geht hier nicht um die Sicherstellung der Rechtsordnung, sondern um die Sicherung der Polizisten und Polizistinnen.“

Und das kann zwar eine Schutzmaßnahme, in brenzligen Situationen aber auch verheerend sein – weil es am Ende nur noch subjektive Aussagen gibt. „Wenn wir keine objektiven Beweismittel bekommen, sind wir tatsächlich auf die Rekonstruktion durch die Polizisten angewiesen. Und die werden wahrscheinlich die Situation so schildern, dass er gut wegkommt.”
Video-Tipp: Bodycam zeichnet alles auf! Polizist rettet Zweijährigen vor dem Ertrinken
Gewerkschaft verteidigt Praxis
Kevin Komolka, Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, hält im Interview fest: „Zunächst müssen wir festhalten, dass die Bodycams nicht ausgeschaltet gewesen sind. Sie waren nur nicht eingeschaltet.“ Die Technik sei da – genutzt werde sie nur situativ: „Wenn eine Gefahr für die Kolleginnen und Kollegen oder eben für Dritte vorliegt, dann entscheiden die Kollegen in der Situation, ob sie die Bodycam nun einschalten oder nicht“, erklärt Komolka gegenüber RTL.
Lese-Tipp: Tödliche Polizei-Schüsse in Oldenburg: Das betont Lorenz’ Vater im RTL-Interview
Doch warum nicht immer automatisch aufnehmen? Auch dazu äußert sich Komolka: „Es gibt technische Möglichkeiten, die es jetzt zu beachten gilt, beispielsweise dass die Bodycam automatisch aktiviert wird, wenn das Holster entsichert wird.“ In den USA wurde die Bodycam eingeführt, um Polizeihandeln transparenter zu machen. In Deutschland wurde sie zum Schutz der Beamten umfunktioniert – das sei ein Fehler, sagt Behr: „Diese Einseitigkeit ist tatsächlich antiquiriert und es muss schleunigst nachgebessert werden.“