Inga, was ist dir nur passiert? Seit genau zehn Jahren vermisst! Neue Theorie zum Verschwinden von Inga Gehricke (5)

Die Polizei ermittelt im Fall der vermissten fünfjährigen Inga aus Schönebeck in alle Richtungen.
Am 2. Mai 2015 verschwand Inga spurlos.

Ist die Entführung so abgelaufen?
Am 2. Mai jährt sich das Verschwinden des kleinen Mädchens bereits zum zehnten Mal. Spurlos verschwindet die Fünfjährige. Jetzt gibt es eine neue Theorie zum Verschwinden des Kindes.

Auf einem Grillfest ist Inga (5) spurlos verschwunden

Inga, was ist dir nur passiert? Seit genau zehn Jahren stellt sich die Familie des kleinen Mädchens diese eine Frage. „Mein allergrößter Wunsch ist, dass mein Kind gefunden wird“, sagt Ingas Mutter vor wenigen Wochen. Im Mai 2015 besucht die Familie ein Grillfest: Das etwa 1,20 Meter große, blonde Mädchen mit der auffälligen Zahnlücke kehrt vom Spielen in einem Wald in Stendal nicht zurück. Es beginnt eine riesige Suchaktion. Die Ermittler nutzen Fernsehsendungen, prüfen mögliche Verbindungen zu anderen Fällen, setzen besonders sensible Suchhunde ein. Doch Inga bleibt verschwunden. Bis heute.

Auch der Forensiker Professor Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida beschäftigt sich mit dem mysteriösen Verschwinden. Er war auch Sachverständiger in dem Prozess von Gil Ofarim. Denn Labudde wird immer dann gerufen, wenn Ermittler mit klassischen Methoden nicht weiterkommen, wie ihr im Podcast „Digitale Forensik – spektakuläre Fälle der modernen Verbrechensaufklärung“ auf RTL+ hören könnt. Und auch bei dem Verschwinden von der kleinen Inga kommt der Forensiker nun zum Einsatz. Er hat sich die Ermittlungsakten mit rund 40.000 Seiten und Zeugenaussagen zu „einem der rätselhaftesten Vermisstenfälle Deutschlands” noch einmal genau angeschaut und ausgewertet.

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Inga wird seit zehn Jahren vermisst! „Entführung wahrscheinlicher als ein Unfall...”

„Aufgrund der Umstände ist eine Entführung wahrscheinlicher als ein Unfall, insbesondere da es keine auswertbaren Spuren gibt, die auf ein selbstverschuldetes Verschwinden hindeuten“, heißt es in seinem Exposé. „Dabei kann die Entführung geplant oder nicht geplant gewesen sein. Ob in den Wald, vom Hof oder einfach auf dem Weg …“

Seine These stützt er auf verschiedene Aspekte: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie sich bewusst entfernt oder sich einer fremden Person freiwillig angeschlossen hätte. Dies spricht entweder für eine Täuschung durch eine Vertrauensperson oder für eine gewaltsame Entführung durch einen Täter, der sehr gezielt und schnell vorgegangen ist.“ Weiter erklärt Labudde: „Eine Möglichkeit der Tatverlagerung muss ebenfalls in Betracht gezogen werden. Falls Inga Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, könnte der eigentliche Ereignisort außerhalb des Wilhelmshofs liegen. Dies würde bedeuten, dass der Täter Inga zunächst aus dem Gebiet entfernt und erst später eine ‚Handlung‘ vollzogen hat.“ Grundsätzlich betont der Forensiker jedoch, dass es sich lediglich um Theorien und Thesen handelt.

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Hat ein Klinikpatient die kleine Inga entführt?

Wer dieser Täter sein könnte, ist bislang unklar. Allerdings: „Der Täter könnte ortskundig gewesen sein oder gezielt gehandelt haben, ohne nachweisbare Spuren zu hinterlassen.“ Außerdem erklärt der Forensiker: „Eine Entführung wäre insbesondere dann plausibel, wenn ein Täter sich bereits in der Nähe aufgehalten hat, die Situation genutzt und Inga unbemerkt mitgenommen hat.“

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Inga Gehricke – wie sie vor ihrem Verschwinden aussah und heute aussehen könnte.
dpa / Polizei Stendal

Dass sich ein pädophiler Straftäter ganz in der Nähe von Inga, ihrer Familie und den anderen Kindern aufgehalten haben könnte, ist dabei gar nicht so unwahrscheinlich. Denn gerade einmal fünf Kilometer vom Grillplatz entfernt befindet sich das Salus-Fachklinikum, eine psychiatrische und neurologische Klinik, die auf die Behandlung psychischer Erkrankungen bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist. „Im Kontext des Falls könnte das Klinikum auf zwei Arten von Bedeutung sein“, heißt es im Exposé. „Zum einen als potenzieller Aufenthaltsort für Personen mit psychischen Störungen, darunter auch solche mit Straftaten in der Vergangenheit, insbesondere in den Bereichen Gewalt oder Sexualdelikte. Zum anderen stellt sich die Frage, ob sich zur Tatzeit Patienten oder entlassene Personen in der Umgebung aufhielten, die für die Ermittlungen relevant sein könnten.“

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Nicht präzise genug und Spuren nicht verfolgt: Experte sieht grobe Ermittlungsfehler

Schon kurz nach Ingas Verschwinden tauchten erste Vorwürfe gegen die Polizei auf. Und auch der Forensiker betont nun nach seiner Untersuchung: „Die Zeugenbefragungen waren im Allgemeinen nicht präzise genug, wodurch möglicherweise relevante Informationen verloren gingen. Zudem wurden nicht allen Spuren konsequent nachgegangen, und Besucher wurden nicht ausreichend befragt. Die Dokumentation weist Verbesserungspotenzial auf, insbesondere in Bezug auf strukturiertes Arbeiten, um sauberere und verständlichere Unterlagen zu gewährleisten.“

Das müsse nachgeholt werden. Sein Vorschlag: „Ermittlungsstrategisch könnten der Falls mit modernster Forensik, die Nutzung neuer Zeugenaufrufe oder eine internationale Vernetzung mit ähnlichen Fällen neue Erkenntnisse bringen“, so Labudde. „Neue Hinweise oder bisher unbekannte interne Ermittlungsdetails, könnten dazu beitragen, präzisere Hypothese zu formulieren. Es sollte eine 3D Rekonstruktion des gesamten Ereignisortes mit allen (bekannten) Personen vorgenommen werden.“