Jetzt gibt es Neuwahlen!
Bundestag entzieht Scholz das Vertrauen
Es ist ein historischer Tag in Berlin.
Olaf Scholz ist der fünfte Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik, der die Vertrauensfrage stellt. Am Montag verliert er die Abstimmung – gleich nach der Sitzung fährt Scholz ins Schloss Bellevue und schlägt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor, den Bundestag aufzulösen. Der Weg für Neuwahlen am 23. Februar ist nun endlich geebnet.
Scholz fordert „sittliche Reife”

Der Abstimmung vorausgegangen war ein heftiger Schlagabtausch mit Vorwürfen in fast alle Richtungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Debatte über seine Vertrauensfrage im Bundestag für eine Wahlkampfrede mit harten Attacken vor allem gegen die FDP genutzt. Die „wochenlange Sabotage“ der Liberalen unter Parteichef Christian Lindner habe nicht nur der Ampel-Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.“
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Merz wirft Scholz „Unverschämtheit” vor
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung eine „blanke Unverschämtheit“. Scholz habe in seiner Rede zwar viel von Respekt gesprochen, sagte der CDU-Vorsitzende an die Adresse des Kanzlers. „Aber ganz offensichtlich hört Ihr Respekt dort auf, wo es andere politische Meinungen gibt“.
Der Oppositionsführer kritisierte, Scholz hinterlasse das Land in einer der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte. Er warf Scholz zudem schwere Versäumnisse beim Engagement auf EU-Ebene vor. „Sie blamieren Deutschland“, sagte er. Es sei „zum Fremdschämen“, wie der Kanzler sich in der Europäischen Union bewege.
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Lindner wehrt sich
FDP-Chef Lindner konterte die Attacke des Kanzlers mit einem Gegenangriff auf dessen Wirtschaftspolitik. Scholz’ Antworten gingen am tiefgreifenden Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit vorbei. Als Beispiel nannte Lindner die gerade erst von Scholz vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. „Der Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen, um populär zu werden. Aber die Bundesrepublik Deutschland darf so nicht regiert werden.“
Scholz bekräftigte, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. „Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler.“ Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dafür zu erläutern, mit welchem Programm er die Wähler überzeugen will, für die SPD zu stimmen. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns und das Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte.
Habeck mahnt Kompromisse an
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte davor, mit Naivität auf die geplante Neuwahl und die Zeit danach zu blicken. „Alle tun so, als wäre danach alles besser“, sagte er. Schwierige Bündnisse, die von den Beteiligten die Fähigkeit zum Kompromiss erfordern, seien auch in Zukunft zu erwarten. Es gebe auch keine Garantie, dass Deutschland nach der für den 23. Februar geplanten Neuwahl zu einer schnellen Regierung kommen werde. Die Grünen und er persönlich wollten dafür arbeiten, „dass das Land in dieser schwierigen Phase handlungsfähig bleibt“.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel fordert einen sofortigen Stopp bei der Aufnahme von Syrerinnen und Syrern. Erneute „Flüchtlingsströme“ wie 2015 müssten verhindert werden, es dürften keine kampfbereiten Soldaten und Dschihadisten nach Deutschland mehr kommen, sagt Weidel im Deutschen Bundestag. Zugleich müssten alle syrischen Flüchtlinge in Deutschland sofort in ihre Heimat zurückkehren.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat Scholz fehlende Selbstkritik nach dem Scheitern seiner Ampel-Koalition vorgehalten. „Das war eine verdammt selbstgerechte Rede“, sagte Dobrindt im Bundestag zur Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es sei geradezu grotesk, dass Scholz sich erneut zur Wahl stelle. Wer eine Koalition nicht zusammenhalten könne, könne auch das Land nicht zusammenhalten. (uvo/kra, mit dpa)