Zwischen Einsamkeit und Verwahrlosung: Wenn der Tod zur Routine wirdDiesen Job will niemand machen!

Plötzlich rieche ich Einsamkeit, Körperflüssigkeiten und den Tod.
Für Dennis Pape-Lange ist das Alltag. Der Tatortreiniger wird gerufen, wenn niemand sonst mehr helfen kann. Ich habe ihn bei seiner Arbeit begleitet – und das Gefühl, das diese Erfahrung hinterlassen hat, begleitet mich bis heute. Wie der Einsatz abgelaufen ist, seht ihr im Video.

Wenn das Leben unbemerkt endet

Das Erste, was mir auffällt, als wir das Haus in Obernkirchen (Niedersachsen) betreten, ist der Geruch. Unangenehm, aber noch erträglich. Viel bedrückender finde ich den Zustand des Hauses: Überall Müll, zugestellte Räume, ein Bad, das aussieht, als wäre es seit Wochen oder sogar Monaten nicht mehr benutzt worden. Es ist keine klassische Messie-Wohnung, aber es wird schnell klar, dass der etwa 60-jährige Mann, der hier gelebt hat, einsam und verwahrlost war.

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Dennis Pape-Lange, 31 Jahre alt und seit zweieinhalb Jahren Tatortreiniger im Kreis Rinteln, erzählt mir, dass er so wenig wie möglich über die Menschen wissen möchte, deren Spuren er beseitigt. „Ich denke daran, dass es Dreck ist, der schwerer wegzumachen ist. Aber ich denke nie daran, dass hier ein toter Mensch gelegen hat”, sagt er. Ich kann das verstehen – zu nah dran zu sein, würde den Job wohl unerträglich machen.

Blut, Einsamkeit und Schicksale: Ein Tag mit Tatortreiniger Dennis Pape-Lange zeigt, was es bedeutet, Spuren des Todes zu beseitigen – und warum wir mehr aufeinander achten sollten.
Dennis Pape-Lange kam als Immobilienkaufmann mit der Frage in Berührung, wer die Spuren eines Toten beseitigt – heute macht er das.
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Ich selbst bin neugierig, das muss ich zugeben. Ich schaue mir an, was Dennis macht, wie er den Raum wieder in einen Zustand bringt, der erträglich ist. Aber ob ich selbst zum Schwamm greifen könnte? Ich zweifle daran. Die Vorstellung, die Spuren tatsächlich zu berühren, sie wegzuwischen – das ist noch einmal eine andere Stufe.

„Es muss gemacht werden”

Mit Maske, Schutzanzug und speziellem Reiniger arbeitet Dennis am Fundort. Jede Bewegung wirkt routiniert, aber auch mit Bedacht. Warum entscheidet man sich für einen Job, den sich wohl die meisten nicht einmal vorstellen könnten? „Es muss auf jeden Fall gemacht werden – und halt auch professionell”, erklärt er. „Dieser Vorher-Nachher-Effekt, das finde ich immer gut. Und die Erleichterung der Auftraggeber am Ende, die merkt man deutlich.”

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Während ich dem Tatortreiniger dabei zuschaue, wie er konzentriert und routiniert arbeitet, wird mir bewusst, wie ungewöhnlich und gleichzeitig intim dieser Job ist. Er arbeitet in einem Raum, der voller Spuren des Lebens ist – ein Leben, das einsam geendet hat. Es ist still, fast schon beklemmend und ich bewundere, wie er die Aufgabe meistert, die für die meisten wohl unvorstellbar wäre.

Blut, Einsamkeit und Schicksale: Ein Tag mit Tatortreiniger Dennis Pape-Lange zeigt, was es bedeutet, Spuren des Todes zu beseitigen – und warum wir mehr aufeinander achten sollten.
„Die Leute kommen aus diesem Kreislauf der Verwahrlosung irgendwann nicht mehr raus”, meint Dennis Pape-Lange.
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Ich sehe mich etwas um. Wie mag der Mann, der hier gestorben ist, gelebt haben? Die zugestellte Küche, die heruntergelassenen Rollläden – alles wirkt, als hätte er sich vollkommen von der Welt abgeschottet. Dennis sagt, dass das der klassische Fall ist. „Viele schämen sich, lassen keine Angehörigen mehr rein. Die machen komplett dicht.”

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Ein Weckruf für mehr Aufmerksamkeit

Obwohl ich den Dreh in dem Moment nicht als allzu belastend empfunden habe, konnte ich die Nacht danach kaum schlafen. Immer wieder musste ich daran denken, wie schrecklich es sein muss, völlig allein und unbemerkt zu sterben. Hat der etwa 60-Jährige auf Hilfe gehofft? Oder wollte er wirklich niemanden mehr sehen? Der Raum, der Tag – sie erzählen eine Geschichte von Isolation, die mich trifft.

Vielleicht ist das die Botschaft, die ich aus diesem Tag mitnehme: Wir sollten einander mehr Aufmerksamkeit schenken, gerade bei Menschen, die sich zurückziehen. Ein kurzes Gespräch, ein kurzes Nachfragen, ein „Wie geht es dir?”. Manchmal reicht schon ein Blick mehr, um Einsamkeit zu durchbrechen.