Zurück in die SchuleIn Bergisch Gladbach lernen Erwachsene das Radfahren
Fast jeder Deutsche besitzt laut einer Umfrage des „Fahrrad-Monitors“ ein Zweirad – aber längst nicht jeder kann auch darauf fahren. Viele Erwachsene haben nie gelernt, wie man sicher in die Pedale tritt. Ein Kurs in Bergisch Gladbach zeigt, dass es dafür nie zu spät ist.
Auf dem Rad wieder fit werden
Was für die meisten Menschen zum Alltag gehört, ist für Klemens Walter eine echte Herausforderung: Fahrradfahren. Als Kind hat er das nie gelernt, wie man richtig in die Pedale tritt. Das will er jetzt ändern – auch aus gesundheitlichen Gründen. „Ich hatte vor drei Jahren einen schweren Herzinfarkt mit Koma und danach wollte ich wieder fit werden“, erzählt der 63-Jährige. Immer wieder trainiert er auf seinem Heimtrainer: „Das macht mir unheimlich viel Spaß! Und da habe ich mir gedacht: Ich will richtig Fahrradfahren lernen!“ Denn an der frischen Luft macht das Trampeln gleich noch viel mehr Spaß.
Vorurteile über Bord werfen
Der Traum von schönen Radtouren durch die Natur führt Klemens nach Bergisch Gladbach. Dort gibt es einen zweitägigen Kurs nur für Erwachsene, die das Radfahren entweder nie gelernt oder es lange nicht getan haben – zum Beispiel, weil sie einen Unfall hatten. „Wir haben aber auch viele Damen mit Migrationshintergrund, die aus Kulturkreisen kommen, wo Frauen es einfach nicht lernen dürfen“, erklärt Peter van Loon. Seit fünf Jahren bietet er die Kurse für die ADFC-Radfahrschule Bergisch Gladbach an. Auch der Kölner Daniel Cleemann hat sich ein Herz gefasst. Seit einem Unfall hat er sein Rad einfach links liegen lassen. Sich für den Kurs anzumelden, war eine große Überwindung: „Wenn man das Radfahren als Erwachsener nicht kann, ist das wie eine Schwäche.“ Doch der 39-Jährige wirft all die Vorurteile über Bord und gibt sich einen Ruck: „Es geht um mich und ich will wieder Spaß am Fahrradfahren habe.“
Lernen wie Kinder: Vom Laufrad aufs Fahrrad
Erwachsene lernen das Radfahren genauso wie Kinder – erstmal auf dem Laufrad. Heißt: Pedale ab und Sattel runter. „Es ist einfacher, das Gefühl des Gleichgewichtes zu erlangen, wenn man sich mit den Füßen abstützen kann, ohne sich gleich an den Pedalen zu verletzen“, erklärt Peter van Loon. Doch auch das Laufrad ist für Klemens ein echter Balanceakt.
„Nicht im Krankenhaus zu landen – das ist mein Tagesziel“, sagt er und lacht. Seit seinem Herzinfarkt hat der 63-Jährige Probleme mit dem Gleichgewicht, übt deshalb erst einmal auf dem Tretroller. Bei Daniel rollt’s hingegen schon besser. Im Gegensatz zu Klemens hat der 39-Jährige das Fahren schon als Kind gelernt. Schon nach wenigen Runden kommen die Pedale zurück ans Rad. Daniel schwingt sich auf den Sattel – und fährt einfach los. Die Trainer und Kurskollegen klatschen und jubeln. Läuft – oder eher: rollt – doch wie geschmiert!
Fortschritte am Nachmittag
Die Teilnehmer des Kurses haben unterschiedliche Vorerfahrungen – und lernen deshalb auch unterschiedlich schnell. Nach der Pause teilt Peter van Loon sie in zwei Gruppen auf. „Zu welcher Gruppe ihr gehört, wisst ihr selbst“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Damit trennen sich auch die Wege von Klemens und Daniel. Für den 39-jährigen Software-Entwickler Daniel wird’s jetzt etwas schwieriger: Slalom fahren und abruptes Bremsen stehen auf dem Übungsplan. Währenddessen darf Klemens zurück aufs Laufrad – etwas wackelig, aber schon besser als am Morgen. Für den 63-Jährigen ein gewaltiger Fortschritt: „Ich bin total zufrieden! Der Nachmittag hat wunderbar geklappt. Ich bin gut mit dem Fahrrad zurechtgekommen, konnte ein paar Meter frei fahren.“
Stolz und zufrieden nach Hause
Auch Daniel geht am ersten Tag mit einem guten Gefühl nach Hause. Die 100 Euro Teilnahme-Gebühr sind für ihn bisher gut investiertes Geld. „Ich bin auf jeden Fall sehr stolz auf mich. Also erstmal darauf, dass ich mich hier angemeldet habe, aber auch, weil ich gemerkt habe, da steckt noch mehr in mir. Ich bin auf jeden Fall super motiviert, auch privat weiter zu üben“, so sein Fazit. Übung macht ja auch bekanntlich den Meister – und: Radfahren ist für viele Menschen eben keine Selbstverständlichkeit.