"Mit sexuellen Erkrankungen ist nicht zu spaßen"
Gefährlicher Aufwärtstrend: Immer mehr Geschlechtskrankheiten - Experten besorgt

Geschlechtskrankheiten sind wieder auf dem Vormarsch. Nachdem die Infektionszahlen in den letzten Jahren stabil waren, gibt es nun wieder einen gefährlichen Aufwärtstrend. Doch woran liegt das? Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht erläutert im Gespräch mit RTL mögliche Gründe.
Corona-Pandemie hat das Problem verschärft
Dass sich die Fälle von Geschlechtskrankheiten häufen, ist ein weltweites Problem. Der „Guardian“ bezeichnet die Lage sogar als „außer Kontrolle" – in den USA sei die Zahl der Syphilis-Infektionen dramatisch gestiegen. Doch schon vor der Pandemie zeichnete sich ein Anstieg ab: „Es scheint seit den letzten zwei oder drei Jahren eine deutliche Tendenz nach oben zu geben. Eigentlich auch schon vor der Corona-Pandemie, aber das scheint sich noch einmal verstärkt zu haben“, so Dr. Specht zu RTL.
Die genaue Ursache für den Anstieg von Geschlechtskrankheiten sei nicht ganz klar, aber einige Erklärungen seien sehr wahrscheinlich: „Es liegt nah, dass die Pandemie weltweit dazu beigetragen hat. Eigentlich hatten die Leute weniger Kontakt, könnte man denken, aber es nicht ganz so.“ Denn auch während der Pandemie gab es immer wieder Zeiten, wo die Menschen vermehrt Kontakt hatten. Hinzu komme, dass eventuell auch die Promiskuität der Menschen zugenommen habe. Das heißt, dass viele Menschen häufig wechselnde Sexual-Partner haben. „Es ist eine Art Rebound-Effekt vorstellbar, wie bei den Affenpocken. Die Verbreitung war ja nicht in der Corona-Zeit, sondern kurz danach. Im Ausland sind Beschränkungen deutlich früher als bei uns aufgehoben worden und dann kam der Sommer und die Leute hatten einen Nachholbedarf. Denkbar ist, dass es dadurch zu mehr Kontakten als früher gekommen ist.“
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Ein weiterer Faktor sei außerdem der fehlende Gang zum Arzt: „Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist auch die Verschleppung der Diagnose. Das ist ja nichts, was die Leute besonders gerne zum Doktor tragen. Während der Pandemie wurden möglicherweise viele sexuell übertragbare Krankheiten in der Diagnose verzögert, so dass der Infizierte auch mehr Gelegenheit hatte, seine Krankheit zu verbreiten.“
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Nicht alle Geschlechtskrankheiten werden durch Sex übertragen
Als Erreger für Geschlechtskrankheiten kommen Viren, Bakterien, Pilze und Einzeller infrage. Dr. Specht stellt jedoch heraus, dass nicht alle Krankheiten, die als Geschlechtskrankheiten geführt werden, immer nur durch Sex übertragen werden.
Tripper (auch Gonorrhö genannt) und Syphilis sind die klassischen sexuell übertragbaren Krankheiten, sie werden anders nicht weitergegeben. Beide werden von Bakterien übertragen. Sie bleiben zunächst unbemerkt, manchmal ist nur ein Brennen beim Wasserlassen spürbar. Tripper und Syphilis seien aber gut behandelbar. Eine Behandlung solle früh erfolgen: „Bei längerem Bestehen kann das bei Frauen zum Beispiel zu Unfruchtbarkeit führen“, so der Mediziner.
Chlamydien, HIV, Herpes, Hepatitis B und C sowie Affenpocken werden zwar durch sexuelle Handlungen übertragen, aber nicht ausschließlich: „HIV wird hauptsächlich durch Sex übertragen, aber Sie können es auch über eine verseuchte Bluttransfusion bekommen – das passierte aber eher früher, heute werden sie gut untersucht - oder durch eine Nadelstichverletzung." HIV sei gut behandelbar, da durch die Therapie die Viruslast reduziert werden kann. Aber eine richtige Heilung sei nicht möglich, nur in Einzelfällen sei dies bisher gelungen.
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Auch Affenpocken können durch Sex übertragen werden, aber auch schon ein enger Hautkontakt reiche für eine Ansteckung aus. Hierbei seien die Verläufe laut des Arztes zum Glück relativ milde. Eine spezielle Behandlung der Viruserkrankung gebe es nicht. Nur eine Impfung im Vorfeld sei möglich. Andere Virus-Erkrankungen wie Hepatitis B und C seien schwerwiegender: „Hepatitis C ist dahingegen gefährlich, da die Menschen chronisch infiziert sind, das macht Leberschäden und kann zu Leberkrebs führen.“ Aber inzwischen gebe es seit ein paar Jahren zumindest ein Medikament für die Behandlung von Hepatitis C. Herpesviren können sich durch Küssen, engen oder sexuellen Kontakt übertragen. Die Infektion macht sich durch schmerzende Bläschen bemerkbar.
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Kondom und wenige Sexualpartner sind der beste Schutz
Laut Dr. Specht gibt es zwei Möglichkeiten sich vor vielen Geschlechtskrankheiten zu schützen.
Zum einen ist das Verwenden von Kondomen ein guter Schutz. Nur bei Erkrankungen wie Affenpocken werde die Übertragung nicht verhindert, da für eine Ansteckung ein enger Hautkontakt ausreiche.
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Ein weiterer wichtiger Punkt zu Vermeidung der Weitergabe von Geschlechtskrankheiten sei die Reduktion der Sexualpartner: „Wenn jemand promiskuitiv lebt, viele verschiedene Sexualpartner hat, dann ist das Risiko extrem erhöht. Beim Sex Männer mit Männern ist die Verletzungsgefahr der Schleimhäute auch größer und das führt dann zu häufigeren Übertragungen als bei heterosexuellen Paaren. Dort ist das natürlich nicht ausgeschlossen.“ Da sich Erreger sehr gut über sexuelle Handlungen verbreiten, sollte laut dem Mediziner die Zahl der Sexualpartner begrenzt sein.
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Abschließend empfiehlt Dr. Specht: „Mit sexuellen Erkrankungen ist nicht zu spaßen, wenn man den Eindruck hat, da ist irgendwas nicht in Ordnung, sollte das abgeklärt werden“. Dafür solle ein Termin beim Urologen oder Gynäkologen ausgemacht werden.