Arzt ordnet aktuelle Zahlen ein
Tödliche Infektionswelle in Japan - droht uns das auch in Deutschland?

Gesundheitsexperten sind alarmiert!
In Japan häufen sich derzeit die Fälle einer zwar seltenen, aber sehr gefährlichen bakteriellen Erkrankung. Fast 1.000 Neuinfektionen registrierten die Behörden seit Anfang des Jahres. Die Ursachen: unklar. Was dahintersteckt und ob das Problem auch auf Deutschland zukommen könnte, erklärt Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht im RTL-Interview.
Toxisches Schock-Syndrom durch Streptokokken: Sprunghafter Anstieg in Japan
In Japan breitet sich derzeit eine gefährliche bakterielle Infektion massiv aus. Die hochansteckende Streptokokken-Bakterien, die ein Toxisches Schock-Syndrom (TSS) auslösen.
Die japanische Gesundheitsbehörde National Institute of Infectious Diseases (NIID) verzeichnete seit Anfang des Jahres 977 Fälle (Stand 02. Juni). Im gesamten Jahr 2023 waren es im Vergleich insgesamt nur 941 Fälle. Die Behörde befürchtet nun einen weiteren massiven Anstieg. Darüber berichtete zuerst der britische Guardian.
Ken Kikuchi, Professor für Infektionskrankheiten an der Tokyo Women’s Medical University, zeigt sich „sehr besorgt“ über den dramatischen Anstieg von Patienten mit diesen schweren invasiven Streptokokken-Infektionen. Seiner Meinung nach ist die Abschaffung der meisten Corona-Maßnahmen der Hauptgrund für die Zunahme der Infektionen. Dies habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen auf grundlegende Maßnahmen zur Infektionsvermeidung wie regelmäßiges Händedesinfizieren verzichten.
Im Video: Model Lauren (34) wäre fast gestorben - wegen eines Tampons
TSS entwickelt sich oft innerhalb weniger Stunden: 30 Prozent versterben
Aber der Mediziner hat auch noch eine weitere Vermutung. „Ich glaube, dass mehr als 50 Prozent der Japaner mit Sars-CoV-2 infiziert waren“, sagte Kikuchi dem Guardian. „Der Immunstatus der Menschen nach der Genesung von Covid-19 könnte ihre Anfälligkeit für bestimmte Mikroorganismen verändern.“ Er vermutet, dass die aktuellen Fallzahlen bis Ende des Jahres auf mindestens 2.500 ansteigen könnten.
Die für die aktuelle Infektionswelle verantwortlichen Bakterien gehören zur Gruppe der A-Streptokokken. Sie können beim Menschen verschiedene Krankheiten auslösen. Dazu gehören Scharlach, Mandelentzündung, nekrotisierende Fasziitis oder Wundrose. Eine seltene, aber sehr gefährliche Komplikation ist das Toxische Schocksyndrom.
Die Patienten leiden unter
hohem Fieber
Schüttelfrost
Übelkeit und Erbrechen
Durchfall
Muskel- und Gliederschmerzen
Verwirrtheit und Schwindel
Schließlich kann es zum Multiorganversagen kommen. TSS entwickelt sich rasch, oft innerhalb weniger Stunden. Mehr als 30 Prozent der Erkrankten sterben, wenn sie nicht mit Antibiotika behandelt werden.
Eure Erfahrung ist gefragt!
Typische Kinderinfektion, die in extrem seltenen Fällen ausufert
„Streptokokken kennt eigentlich jeder“, sagt der Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im RTL-Interview. „Das ist eine typische Kinderinfektion, weil sie so weitverbreitet ist und deshalb Kinder zuerst trifft, weil sie nicht die entsprechende Immunität haben.“
Auch bei Erwachsenen seien Streptokokken ein Thema, man habe sie oft in der Mundhöhle.
„Nur hat man im Laufe des Lebens eine gewisse Immunität entwickelt, sodass man nicht ständig daran erkrankt“, so der Mediziner. Eine harmlose Streptokokken-Angina sei daher recht häufig: „Und die geht normalerweise wieder weg. In extrem seltenen Fällen kann sie sich zu einem Toxischen Schock-Syndrom entwickeln“, sagt Specht. Und hier liegt die Mortalität bei jungen Menschen bis 50 Jahren aktuell bei 30 Prozent, wie auch die Mediziner aus Japan berichten. Heißt: Ein Drittel aller infizierten Erwachsenen, stirbt.
Lese-Tipp: Fleischfressende Bakterien! Jesse (11) stirbt nach harmloser Knöchelverletzung
Droht uns eine neue Pandemie?
Doch was sind die Ursachen? Bislang unklar. Man könne weder sagen, ob die betroffenen Menschen bestimmte Eigenschaften haben, noch ob es sich um eine Sonder- oder Unterform von Streptokokken handelt, betont der Mediziner.
Auch die These eines veränderten Immunsystems durch eine Covid-19-Erkrankung oder eine Corona-Impfung oder beides, wie Kikuchi vermutet, hält der Mediziner für eine mögliche Erklärung.
Müssen wir nun befürchten, dass es auch bei uns vermehrt zu Schock-Syndromen kommt? „Das Phänomen tritt immer wieder in Wellen auf“, sagt Specht. „Aber im Moment gibt es bei uns keine Anzeichen dafür.“
Auch vor einer neuen Pandemie müsse sich niemand fürchten: „Auslöser von Pandemien sind immer Viren. Bakterien können das nicht“, sagt der Experte.