„Ganz gefährliche Viren“Wieder eine Zoonose? Dr. Specht schildert, woher das Borna-Virus kommt und wie man sich ansteckt

In Bayern ist am Dienstag (7. Juni 2022) eine sehr seltene Infektion mit dem Borna-Virus nachgewiesen worden. Betroffen sei ein Mensch aus dem Landkreis Mühldorf am Inn. Die meist tödlich verlaufende Krankheit kommt in Deutschland bisher nur in seltenen Fällen beim Menschen vor. Der Wirt für die Virus-Erkrankung ist die Feldspitzmaus. Handelt es sich beim Borna-Virus wie bei den Affenpocken um eine Zoonose? Im RTL-Gespräch ordnet Medizinjournalist und Tropenmediziner Dr. Christoph Specht die Gefährlichkeit des Borna-Virus ein.
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Borna-Virus in Bayern nachgewiesen: „Gehört in die Gruppe, der ganz gefährlichen Viren“
„Die Borna-Viren kommen hier selten vor, gehören aber in die Gruppe der ganz gefährlichen Viren, denn die Letalität (Tödlichkeitsrate) ist sehr hoch. In ihrer Übertragung sind Borna-Viren jedoch mit dem Coronavirus überhaupt nicht zu vergleichen“, erklärt Dr. Christoph Specht im RTL-Gespräch.
Das Borna-Virus würde klassischerweise eine Hirnentzündung auslösen. „Dabei handelt es sich nicht nur um eine Hirnhautentzündung, sondern eine Entzündung des Gehirns selbst. Daher sind auch die Langzeitschäden so extrem, wenn man die Krankheit überlebt“, beschreibt Dr. Specht.
Borna-Virus-Infektion in Bayern: Handelt es sich, wie bei den Affenpocken, um Zoonose?
Und handelt es sich bei dem Borna-Virus ähnlich wie bei den Affenpocken, um eine Zoonose? Also Erkrankungen, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.
„Das Borna-Virus ist eine Zoonose von Nagetieren. Das heißt, der Kontakt mit Ausscheidungen von Mäusen, insbesondere der Feldspitzmaus führt zu einer Ansteckung“, so Specht. Hunde seien häufiger von einer Ansteckung betroffen, da auch Ratten zu den Überträgern gehören. Wenn Hunde aus Pfützen trinken, können sie sich infizieren.
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Zoonosen: Experten sind sich einig – generell zukünftig vermehrt zu erwarten

Anders als bei den Affenpocken ist eine Infektion von Menschen zu Menschen unter Medizinern bisher nicht beschrieben worden, schildert Dr. Specht. In Einzelfällen könnten Infektionen jedoch vom Tier auf den Menschen übergehen. „Wenn die Viren aber mutieren, hat man ein Problem. Das ist aber nach jetzigem Kenntnisstand beim Borna-Virus nicht zu erwarten.“
Durch das immer weitere Eindringen der Menschen in die Gebiete der Tiere, seien zukünftig generell aber bekanntermaßen immer mehr Zoonosen zu erwarten.
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Borna-Virus: Wie äußert sich die Erkrankung? Dr. Specht erklärt Symptome
Beim Borna-Virus reicht die Inkubationszeit von wenigen Wochen bis zu Monaten. „Es folgt eine kurze Phase mit unspezifischen grippalen Krankheitssymptomen (Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, erhöhte Temperaturen, Fieber). Dann kommen neurologische Symptome hinzu, wie Probleme beim Gehen und Gedächtnisstörungen, weil das Gehirn betroffen ist“, erklärt Specht.
Ihre Meinung ist gefragt: Bereitet Ihnen das Borna-Virus Sorge?
Wie ernst schätzen Sie das Risiko ein, dass es noch zu erheblich mehr Fällen kommen wird?
Seit 1995 starben in Deutschland mindestens 15 Menschen nachweislich an der Gehirnentzündung. Doch wie schätzt der Experte die zukünftige Entwicklung ein, bleiben die Fallzahlen auf diesem Niveau?
„Es gibt sicher eine Dunkelziffer, aber daraus wird keine Pandemie. Wer es überlebt, hat mit Folgeschäden im Gehirn zu kämpfen. Aktuell gehe ich nicht von einer realen Bedrohung aus, sondern höchstens von weiteren wenigen Einzelfällen“, betont Dr. Specht. Eine Gemeinsamkeit mit Corona sei wegen der komplett unterschiedlichen Übertragung nicht vorhanden. „Das sind beides Viren und da endet auch schon die Gemeinsamkeit.“
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Problematisch sei jedoch die nennenswerte Ausbreitung ist Bayern. Hier rät der RTL-Experte dazu, im bayrischen Landkreis Mühldorf Feldmäuse zu untersuchen und die örtliche Lage genauestens zu überprüfen. Denn in den letzten Jahren seien gehäuft Borna-Viren-Fälle in Bayern aufgetreten. Epidemie-Gebiete befinden sich laut Landesamt für Verbraucherschutz in der östlichen Hälfte Deutschlands, vor allem in Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Borna-Viren: Haben die Infektionen etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Den Klimawandel sieht Experte Dr. Specht jedoch nicht als Verbreitungsauslöser an.
„Mit Blick auf das Borna-Virus sehe ich keinen großen Einfluss des Klimawandels. Den sehe ich eher bei Viren, die durch Insekten verbreitet werden und nicht durch Nagetiere“. Ein Beispiel dafür seien Arboviren, die insbesondere durch Insekten (Fliegen und Moskitos) und Arachnoiden (Zecken) übertragen würden. Deren Lebensraum verändere sich durch den Klimawandel noch stärker als der von Nagetieren.