Von der Gutenachtgeschichte bis zur wütenden Abrechnung

Lese-Tipps zum Weltfrauentag: Bücher von starken Frauen für starke Frauen

Sophie Passmann Frida Kahlo Simone de Beauvoir
Starke Bücher über starke Frauen - hier im Bild Sophie Passmann, Frida Kahlo und Simone de Beauvoir
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von Rachel Kapuja und Mireilla Zirpins

Zum Weltfrauentag (ja, den brauchen wir jetzt mehr denn je!) gibt’s von uns Lese-Tipps – natürlich Bücher von engagierten Autorinnen für engagierte Frauen oder solche, die’s noch werden wollen. Einfach ganz subjektiv und persönlich ausgesucht. Das muss kein feministisches Manifest sein, auch wenn wir da durchaus ein paar lesenswerte vorstellen. Sondern zum Beispiel Romane, in denen Frauen sich emanzipieren, ihren ganz eigenen Weg gehen. Und da geht’s auch schon mal ganz schön zur Sache, auch im Bett. Oder Sachbücher, in denen junge Autorinnen rauslassen, was sie stört an der Gesellschaft unserer Zeit. Das kann durchaus auch amüsant sein. Hier kommen Bücher, die uns eine Idee davon geben, wie unsere Welt auch sein könnte, die uns Hoffnung geben oder uns träumen lassen. Bei unseren Vorschlägen ist für jede (und für jeden) was dabei, versprochen!

Margarete Stokowski: "Untenrum frei"

Wer ihre Kolumne bei Spiegel.de kennt oder ihr bei Twitter folgt, weiß, dass Margarete Stokowski kein Blatt vor den Mund nimmt. Deutliche Worte findet sie nicht nur für Online-Trolle, die sie mit frauenfeindlichen Kommentaren überfluten, weil ihnen ihre Ansichten zu frauenbewegt sind. Worum’s in ihrem Buch „Untenrum frei“ geht: Wie es ist, im Deutschland unserer Zeit zum „Mädchen“ oder zur „Frau“ erzogen zu werden – hinein in ein System, das längst nicht so gleichberechtigt ist, wie es tut.

Stokowski ist sicher, dass wir „untenrum“ nicht frei sein können, solange wir es obenrum nicht sind. Also im Kopf. Und vom gesellschaftlichen Überbau her. Und natürlich auch andersherum. Wie sollen wir gleichberechtigt sein, wenn in unserer Gesellschaft suggeriert wird, dass eine Frau vor allem jung, glatt und unverbraucht zu sein hat, während für andere diese Anforderungen nicht gelten? Dabei geht es Stokowski nicht nur um ihre eigene oft erschütternde Geschichte inklusive Vergewaltigung durch den Leiter der Schach-AG. Sondern sie analysiert auch, warum Mädchen eine Stimmlage höher sprechen und sich das Gesicht zuschminken, um zu gefallen und wie unser Medienkonsum von „Bravo“ bis Disney-Trickfilm dieses Verhalten zementiert.

Vor allem arbeitet sie heraus, dass Feminismus kein Anliegen ist, das für sich allein Bestand haben kann, sondern das zusammen gedacht werden muss mit Rassismus und Klassenunterdrückung, damit alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Sexualität und Körper, dieselben Rechte und Freiheiten haben.

Rebekka Endler: "Das Patriarchat der Dinge"

Auch Rebekka Endler bekam viele wütende Zuschriften wegen ihres Buches „Das Patriarchat der Dinge“ – und zwar wohl fast ausschließlich von Männern. Dabei geht es ihr explizit nicht allein darum zu zeigen, dass unterwegs Pinkeln für cis Männer nicht nur einfacher, sondern auch billiger ist, oder wie patriarchales Produktdesign danebengreift – so wie bei den „Pinky Gloves“, „Entsorgungs-Handschuhe“ für Tampons in einer Farbe, die die männlichen Gründer offenbar mit cis Frau und Monatshygiene verbanden.

Rebekka Endlers größter Aufreger ist, dass unsere alltägliche Welt von einer Norm aus gedacht ist, in die viele Menschen nicht passen: etwa 175 Zentimeter groß, 75,5 Kilo schwer. Crashtest-Dummys mit diesen Maßen werden eingesetzt, um die Sicherheit von Autos zu testen, die auch durchweg für diese Körpergröße designt wurden. Genauso wie Büromöbel. Was aber mit den vielen unter uns, die unter 1,60 Meter groß oder wesentlich leichter sind? Die überdosieren täglich ihre Medikamente – verordnet aus einer by the way „weißnormierten Medizin“, wie die Autorin moniert. Und Sie merken natürlich schon genauso wie Rebekka Endler: Das „Gardemaß“ erfüllen ja nun beileibe auch nicht alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht. Viele sind kürzer oder länger, breiter oder schmaler geraten. Warum also dieser Shitstorm?

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Evke Rulffes: "Die Erfindung der Hausfrau"

„Nur“ Hausfrau? Seit wann wird der Job der Familienmanagerin eigentlich so abgewertet, wollte Autorin Evke Rulffes wissen. Sie schaute sich einen Ratgeber für die „Hausmutter“ von 1778 an, natürlich geschrieben von einem Mann. Und stellt fest, dass selbst damals im 18. Jahrhundert Autor Christian Friedrich Germershausen die Hausfrau mehr als Familien-Managerin sah als mancher heute. Und dass er erkannt hatte, was für umfangreiche Fachkompetenzen und Organisationsfähigkeiten die Tätigkeit erfordert.

Wie konnte es also kommen, dass in unserer Zeit der „Job“ der Hausfrau noch weniger Prestige hat als damals? Aus Sicht von Rulffes begann die Abwertung mit dem Erstarken der bürgerlichen Mitte und dem Aufkommen der Liebesheirat und gipfelte in der Konsumgesellschaft, in der das Ideal eine Frau war, die in einer sogenannen Versorgerehe „nicht arbeiten musste“. Ihr tief recherchiertes Buch von 2021 ist auch brandaktuell, weil sich gerade in der Corona-Pandemie gezeigt hat, dass die größte Last von Haus-, Erziehungs- und Carearbeit auf den Schultern von Frauen lastete, die anders als damals aber immer öfter gleichzeitig auch noch berufstätig sind.

Laurie Penny: "Fleischmarkt", "Sexuelle Revolution" u.a.

Sie ist die „angry young woman“ des modernen Feminismus. Ihr Motto: „Riot, don’t diet!“ – Lehnt euch auf statt zu hungern! 1986 in London geboren, regt sich die Literaturwissenschaftlerin mit starken Worten auf – zum Beispiel in ihrem ersten Buch „Fleischmarkt“ von 2012 vor allem über den Umgang mit weiblichen Körpern im Kapitalismus. Darüber, wie wir und vor allem unsere Bodys in unserer Kultur ständig bewertet werden – danach, ob wir jung, schlank, hellhäutig und willfährig genug sind. Und wenn wir nicht beurteilt werden, dann doch zumindest unter Druck gesetzt. Nicht nur von Werbung und Pornografie, sondern auch in unserer eigenen Bubble. Klingt nur am Anfang theoretisch und wird richtig stark, wenn Laurie Penny über ihre eigene Magersucht berichtet oder sich darüber aufregt, mit welchen Methoden sich Typen immer noch um die Hausarbeit drücken.

Warum werden Frauen dazu gedrängt, ihre Körper zu kasteien und kostenlos den Dreck anderer wegzumachen? Laurie Pennys Antwort: vereinfacht gesagt die Angst der Männer, ihre Macht zu verlieren. „Kein Wunder, dass Männer sich scheuen, den Fußboden zu schrubben“, wettert sie, schließlich sei das Haus zu einem „Ort der Sklaverei“ geworden.

In ihrem neuen Buch „Sexuelle Revolution“, das passenderweise zum Weltfrauentag am 8. März 2022 erscheint, fordert sie eine Welt, „in der ausbeuterische, kräfteraubende Arbeit und freudloser erzwungener Sex nicht mehr die Norm sind.“ Eine Welt, in der nicht mehr Gender und Sex darüber bestimmen, wem zugehört wird, wessen Körper und wessen Worte zählen. Denn im Feminismus geht es längst nicht nur um Sex. Er ist politisch in einer Welt, in der Demokratie und Männlichkeit in die Krise geraten sind und in der Menschen ihre schwindende Macht mit allen Mitteln verteidigen.

Sophie Passmann: "Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch"

Für Joko und Klaas führte sie durch 15 Minuten „Männerwelten“ – ein Zeugnis von Alltagssexismus und sexualisierter Gewalt. Klug gewählt von den beiden, schließlich hat sich Sophie Passmann schon mit Mitte Zwanzig den Ruf einer Frauenbewegten erarbeitet. Für ihr zweites Buch hat sie sich mit lauter Typen getroffen, die man kennt und die in Deutschland was zu sagen haben oder zumindest gehört werden. Und da gibt es ja reichlich.

Weiß sind sie allesamt, aber gar nicht alle so betagt oder solche Klischee-Erfüller wie zum Beispiel Alt-68er Rainer Langhans (*1940) oder Ex-“Bild“-Chef Kai Dieckmann (*1964). Da tauchen auch Robert Habeck (*1969, mittlerweile Bundesminister für Wirtschaft und Energie) auf – naja, immerhin beim Gespräch auch schon fast doppelt so alt wie Sophie Passmann – oder Sascha Lobo (*1975 Autor und Web-Experte). Die wären jetzt nicht allen als erste eingefallen.

Ihre Masche: Die Männer einfach mal selber fragen, wie sie als Mann das so sehen mit den weißen Männern und warum die es auch im Deutschland unserer Zeit oft einfacher haben als alle anderen. Ihr geht’s dabei nicht nur darum, dass die Herren sich in ihrer Bemühtheit, das runterzureden, teils selbst entlarven. Sondern auch um die Frage, ob man früher ansetzen kann. Ob man es verhindern kann, dass aus einem jungen Kerl wie Kevin Kühnert (*1989, den trifft sie auch) später mal einer dieser alten weißen Männer wird, die blockieren, dass sich was ändert.

Good Night Stories for Rebel Girls

Wer früh mit Female Empowerment anfangen will, ist hier richtig: Die „Good Night Stories for Rebel Girls“, also Gutenachtgeschichten für rebellische Mädchen, erzählen über das Leben von insgesamt 100 bemerkenswerten Frauen aus Vergangenheit und Gegenwart. Und das in kindgerechter Weise auf nur jeweils einer Seite, kombiniert mit Illustrationen von über 60 internationalen Künstlerinnen.

Natürlich ist das auch für Erwachsene nicht verkehrt; mit der Altersempfehlung ab 10 Jahren können so aber vor allem jüngere Menschen in die Welten von starken Frauen eintauchen, die auf der ganzen Welt zu Hause waren oder sind. Angefangen von Kleopatra, die als letzte Königin des Ptolemäerreiches ihren Platz auf dem Thron verteidigte, über Marie Curie, die Entdeckerin der Radioaktivität, bis hin zu außergewöhnlichen und mutigen jungen Frauen aus unserer Zeit. Darunter Jessica Watson (*1993), die mit 16 Jahren bis dato als jüngste Einhandseglerin die Welt umrundete oder die Pakistanerin Malala Yousafzai (*1997), die bereits als Elfjährige in ihrem Blog über die massive Unterdrückung durch die Taliban berichtete und 2016 einen Mordversuch überlebte.

Der riesige Erfolg der 2017 erschienenen Gutenachtgeschichten in über 40 Ländern zeigte, wie groß der Bedarf an Storys ist, in denen weibliche Charaktere nicht nach alter Märchenmanier von Männern gerettet werden, sondern selbst für Stärke, Haltung und Erfindungsgeist stehen. Und da es auf der Welt natürlich nicht nur 100 beeindruckende Frauen gibt, hat der erste Band inzwischen mehrere Nachfolger: Zuletzt erschien 2020 eine Biografien-Sammlung von „100 Migrantinnen, die die Welt verändern“.

Margaret Atwood: "Der Report der Magd"

1985 traf Margaret Atwoods düstere Dystopie „Der Report der Magd“ einen Nerv: Geschrieben während der Reagan-Ära entwirft sie ein Szenario, in dem alle Errungenschaften der Gleichberechtigungsbewegung wieder passé sind: People of Colour wurden im fiktiven Überwachungsstaat Gilead brutal ausgelöscht, Frauen den Männern komplett untergeordnet und ihres Vermögens und ihrer Kinder beraubt. Verseuchungen haben für eine weit verbreitete Unfruchtbarkeit gesorgt. Die wenigen Frauen, die noch Kinder bekommen können, werden von wohlhabenden Ehepaaren als „Mägde“ gehalten – ein himmelschreiender Euphemismus für ihr entwürdigendes Sklavinnen-Dasein. Diese Frauen haben nicht mal das Recht auf einen eigenen Namen, sondern heißen nach dem Typen, der sie regelmäßig vergewaltigt, um Nachkommen zu zeugen, die er dann mit seiner Frau aufziehen kann. Im Fall der Erzählerin heißt sie also nach dem Hausherrn Fred schlicht „Desfred“.

Wer die äußerst erfolgreiche Serie „The Handmaid’s Tale“ (2017ff.) gesehen hat, weiß was passiert: Die kämpferische Desfred hat nicht vor, das so hinzunehmen. Sie hofft, dass ihr Mann und ihr Kind noch irgendwo am Leben sind. Freds Vergewaltigungen bleiben aber „fruchtlos“. Freds Frau Serena Joy will Desfred daher von Freds Fahrer Nick schwängern lassen. Doch zwischen Desfred und Nick entwickelt sich mehr als das. Der feministische Stoff ist auch nach fast 40 Jahren nach wie vor brandaktuell, weil wir nicht zuletzt mit Typen wie Donald Trump gesehen haben, wie fragil alles ist, was wir bis heute erreicht haben und dass wir weiter kämpfen müssen.

Nadia Bailey & Susanna Harrison – Frida von A bis Z

Wie kaum eine andere Künstlerin wurde die Mexikanerin Frida Kahlo (1907-1954) im Laufe der letzten Jahrzehnte zur absoluten Kultfigur. Mit Blumenkranz im Haar und den charakteristischen zusammengewachsenen Augenbrauen wird sie als Pop-Motiv auf T-Shirts, Taschen und als Karnevalskostüm gefeiert. Doch auch, wenn Frida in dieser Form viele Fans hat, wissen viele – zumindest hierzulande - nicht oder zumindest nicht im Detail, was für ein bedeutendes, leidenschaftliches, schmerzvolles, politisch aktives und bewegtes Leben die Malerin geführt hat.

Das Buch „Frida von A bis Z“ liefert hier wertvolle Infos und Hintergrundwissen über den Mensch Frida, häppchenweise am Alphabet orientiert, sodass Leserinnen und Leser nicht erschlagen und sich auch einfach mal zwischendurch ein, zwei hübsch illustrierte Seiten zu Gemüte führen können. Beschönigt wird darin allerdings nichts. Natürlich geht es hier auch um Fridas beeindruckende Werke, aber in erster Linie um ihren Lebensweg und Menschen, Dinge und Erlebnisse, die sie beeinflusst haben. Wie der alles verändernde Busunfall, den sie mit 18 Jahren erlitt und dessen Folgen sowohl ihren Körper als auch ihre Kunst für immer prägen sollten. Aber auch ihre große Liebe zum 20 Jahre älteren Maler Diego Rivera, die zahlreichen Affären von beiden, ihre starke politische Haltung und die Liebe zu ihrer Heimat Mexiko und ihren traditionsreichen Wurzeln.

Benoîte Groult: Salz auf unserer Haut

Der Kultroman der Französin Benoîte Groult erschien 1988 und hielt sich zwei Jahre lang auf der deutschen Bestsellerliste – während er in Frankreich zunächst als Skandalbuch galt. Denn bei der mehrere Jahrzehnte umspannenden Geschichte der Intellektuellen George aus Paris und des bretonischen Fischers Gauvin geht es nicht einfach nur um eine große Liebe, sondern insbesondere um explizit geschilderte Erotik, weibliche Lust und Untreue. 50 Shades of Tabubruch quasi!

Eine solche im wahrsten Sinne des Wortes schamlose Erzählweise, noch dazu mit autobiografischem Hintergrund, hatte vor 34 Jahren noch Seltenheitswert und ebnete Groult den Weg für viele feministische Werke, die in ganz Europa Anerkennung fanden. „Salz auf unserer Haut“ wurde 1992 zwar auch verfilmt, von der Umsetzung des Regisseurs Andrew Birkin war Groult aber alles andere als begeistert: „George [war] in dem Film nur eine Karikatur, und der Fischer war ein Machoverschnitt. Der Charakter der Frau war dem Regisseur einfach zu stark“, erklärte sie ihre eindeutige Meinung in einem Interview in der „Zeit“.

Bernardine Evaristo: "Mädchen, Frau, etc."

Elf Frauen und eine nicht-binäre Person lässt Bernardine Evaristo (*1959 in London) zu Wort kommen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, schon vom Alter, vom gesellschaftlichen Background oder ihrer sexuellen Orientierung her. Aber eins eint sie: Sie sind alle People of Colour. Und sie haben, wie die Autorin in geschickten Verflechtungen zeigt, dann doch mehr miteinander zu tun, als wir bei aller Unterschiedlichkeit zunächst denken würden. Was sie eint neben freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Verstrickungen: Sie suchen nach ihrer ganz persönlichen Identität und erleben dabei alltäglich Rassismus und Diskriminierung in einer weißen Mehrheitsgesellschaft.

In ihrem neuen Buch „Manifesto“ berichtet Bernardine Evaristo autobiografisch davon, wie sie unermüdlich und am Ende mit Erfolg gegen die Stigmata „Frau. Schwarz. Lesbisch. Prekär. Schriftstellerin“ ankämpfte. Einer ihrer Fans ist übrigens Barack Obama.

Elena Ferrante: Neapolitanische Saga ("Meine geniale Freundin" u.a.)

Elena Ferrantes neapolitanische Buch-Saga "Meine geniale Freundin"* 🛒 hat sich weltweit zwölf Millionen mal verkauft. Auch in Deutschland fieberten viele, viele Leser und Leserinnen mit, wenn Heldin Elena alias Lenú und ihre willensstarke beste Freundin Lila im Rione Sanità, einem der ärmlicheren Stadtviertel Neapels, um die Dinge des Lebens kämpften: Liebe, Leidenschaft, Betrug und Freundschaft, aber auch um die Macho-Gesellschaft im Nachkriegs-Italien, dominiert von den Mafia-Mackern, Rassismus und Sexismus. Mittendrin zwei starke Mädchen, deren Bibel der Frauenliteratur-Klassiker „Little Women“ ist.

Aus den Schulfreundinnen werden später Konkurrentinnen, die um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und sexuelle Befreiung kämpfen, um Bildung und ein gutes Elternhaus für ihre Kinder. Dabei gehen Lila und Lenú durchaus unterschiedliche Wege – nicht nur bei der Bildung, sondern auch in der Liebe. Denn Lila kann der Versuchung der Wirtschaftswunder-Konsumgesellschaft nicht widerstehen und geht eine Versorgerehe ein als dekorative bessere Hälfte des neureichen Stefano. Und auch Lenús Suche nach einem ihr intellektuell ebenbürtigen Partner gestaltet sich schwierig. Ein Romanzyklus, der viele Themen der feministischen Literatur streift, ohne sie jemals konkret beim Namen zu nennen.

Virginia Woolf: Ein Zimmer für sich allein

„Wieso sind Frauen arm?“, fragte Virginia Woolf vor knapp hundert Jahren. Auch wenn sich seitdem in vielen Ländern eine Menge getan hat, müssen sich das viele Frauen leider immer noch fragen. Und wenn man sich das Gender Pay Gap und das Armutsrisiko für Alleinerziehende oder Frauen im Ruhestand in Deutschland ansieht, dann ist das Thema heute immer noch aktuell.

Eigentlich geht’s um Frauen und ums Schreiben in Virginia Woolfs Essay aus dem Jahr 1929, der zu einem der Referenztexte der feministischen Literatur wurde. Aber sie zeigt an einem ausgedachten Beispiel, dass die Produktionsbedingungen sehr wohl einen Einfluss darauf haben, ob gute Ideen und Texte entstehen können. Ihr fiktives Beispiel: Was wäre gewesen, wenn Willliam Shakespeare eine Schwester namens Judith gehabt hätte? 500 Pfund im Jahr und ein Zimmer für sich allein ist das Mindeste, findet die Schriftstellerin. Denn das beides sichert die geistige Freiheit und Unabhängigkeit. Für die Frauen damals überhaupt keine Selbstverständlichkeit – und für viele Frauen heute leider immer noch nicht.

Julia Korbik: "Oh, Simone!" / Simone de Beauvoir: "Das andere Geschlecht"

Sie ist eine der vielen Mütter des modernen Feminismus: Simone de Beauvoir (1908-1986). Sie sorgte in ihrer Zeit nicht nur für Schlagzeilen, weil sie eine offene Beziehung mit ihrem Schriftsteller-Kollegen Jean-Paul Sartre führte, ihn dabei aber siezte. Sondern ihre Abhandlung „Das andere Geschlecht“ war auch gesellschaftlicher Zündstoff.

Ihre Kernthese: „Man ist nicht geboren als Frau, man wird es.“ Zum anderen Geschlecht werden die Frauen bei ihr nur dadurch, dass die Männer die Sicht der Dinge bestimmen, sich selbst als Subjekt und damit als Maß aller Dinge sehen und die Frauen als Objekt. Mutterschaft? Für sie eine biologische Sache, aus der längst nicht die soziale Verpflichtung erwächst, allein das Kind zu versorgen. Und da sehen wir, dass es sich für manche(n) auch heute noch lohnen würde, in ihren Werken zu stöbern. Ihre Ideen finden sich übrigens auch in vielen anderen ihrer Bücher wie „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“.

Keine Lust, die alten Texte selbst zu lesen? Julia Korbik erzählt uns in „Oh, Simone!“ flott und mitreißend, warum Simone de Beauvoir auch heute noch lesenswert ist.

Virginie Despentes: King Kong Theorie

Sie ist so was wie das „enfant terrible“ der französischen Literatur, ja vielleicht sogar der literarischen Feministinnen. Ihr Roman „Baise moi“ („Fick mich"), in dem zwei Frauen nach einer Gruppenvergewaltigung auf blutigen Rachefeldzug gehen, schockte den Literaturbetrieb, die FSK18-Verfilmung unter ihrer Regie mit Pornodarstellerinnen noch mehr. Dabei kann Virginie Despentes auch große Romane wie die Pop-Trilogie „Vernon Subutex“.

Ihr schmalstes Bändchen ist ein feministisches Manifest namens „King Kong Theorie“. Darin nicht weniger als die Geschichte ihrer eigenen Vergewaltigung und eine wütende und stichelnde Analyse der Machtverhältnisse in einer Gesellschaft, in der nach Attraktivität und Willigkeit bewertet wird. Sie hingegen schreibt erklärtermaßen aus den Reihen der Hässlichen („Als Frau bin ich eher King Kong als Kate Moss“): über die ihr als Teenager widerfahrene Vergewaltigung, ihre eigene Prostitution, über das unausgeglichene Verhältnis der Geschlechter. Und sie schreibt „für die Hässlichen, die Alten, die Mannweiber, die Frigiden, die schlecht gef*ckten, die unf*ickbaren“ – kurz für alle, die ausgeschlossen sind vom Datingmarkt.

Und was wäre das Ideal? „Weiß, verführerisch, aber nicht nuttig, gut verheiratet, aber nicht unsichtbar, berufstätig, aber nicht zu erfolgreich, schlank, aber ohne Essstörung, glückliche Mutter, aber nicht aufgefressen von Windeln und Schulaufgaben, […] gebildet, aber weniger als ein Mann“ – und dabei am besten glücklich, fasst Virginie Despentes zusammen und resümiert: „Der jedenfalls bin ich noch nie begegnet. Ich glaube, die gibt es gar nicht.“

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